In Zeiten wie diesen, wo schon die Leser eines Muh-und-Ruh’-Magazins wie „Landlust“ als „Special Interest“ gelten, muß vor BLANK CITY doppelt gewarnt werden. Denn der ist wirklich speziell, ohne ein Grundmaß an Vorwissen kaum durchzustehen und am Ende selbst für die ins Auge gefaßte Klientel wohl wenig befriedigend. Das Fließ- und Fleißwerk der seit 2006 in New York lebenden französischen Regisseurin Céline Danhier zielt auf Hobby-Feuilletonisten, den sich progressiv gebenden Kunst- und Kulturgenießer, dem es nicht viel ausmachen dürfte, in eineinhalb Stunden 40 Protagonisten mit ihren Arbeiten vorgeführt zu bekommen und sich selbst zu testen, wieviele er davon schon kennt. Vorgeführt ist übrigens ein gutes Stichwort.
No Way oder No Wave, das war die Frage in Downtown New York, Mitte der 70er. Eine Stadt zog blank. Der britische Punk war angekommen, schon zu neuen Ufern aufgebrochene europäische Regisseure wurden vom Untergrund goutiert, das East Village glich optisch einem Kriegsschauplatz und war der ideale Ort für künstlerische Äußerungen. Experimentelle Musik und avantgardistischer Film erlebten nach kreativer Ziellosigkeit ihre Blüte. Alle machten alles: Filmer malten, Maler griffen zur E-Gitarre, Musiker zum Pinsel. Technik war verpönt, Nihilismus lag in der bleiernen Luft. Bis Aids kam und Hip Hop. Und der Ausverkauf.
Die Ansprechhaltung manifestierte sich mit: „Ich mach’ was und scheiß’ drauf, ob es dir gefällt.“ Michael McClard sagt das knapp 40 Jahre später noch einmal in die Kamera. Er ist einer von zu vielen männlichen und weiblichen Schauspielern, Regisseuren, Musikern, Fotografen und Autoren, die für BLANK CITY befragt wurden, darunter unvermeidlich-bekannte Namen wie Debbie Harry, Steve Buscemi, Lydia Lunch und John Waters. Ein furioses Sammelsurium wenig furioser Statements kommt dabei heraus. Warum? Weil sich Regisseurin Danhier nicht die Spur für Tiefe und Kontur interessiert, sondern auf den Karren vermeintlich zeitgeistiger Rasanz aufspringt und clipartig eine Schnittfrequenz und Materialfülle aus Archiven vorlegt, die den Zuschauer – noch dazu in einem Land, wo die untertitelte Version gezeigt wird – mit dem angefieberten Schütteln einer Sommergrippe hinterläßt.
Die Macht der Ideen sei stärker als all die anderen Mächte, sagt Jim Jarmusch sinngemäß. Die Idee zu BLANK CITY war gut, die Umsetzung ist es nicht.
Originaltitel: BLANK CITY
USA 2009, 94 min
FSK 12
Verleih: REM
Genre: Dokumentation
Regie: Céline Danhier
Kinostart: 28.02.13
[ Andreas Körner ]