Auf einer Autofahrt bekommt Regisseurin Barbara Eder beiläufig Tips, um sich vor Einbrechern, Serienmördern und Psychokillern zu schützen. Sie solle niemals neben einem Transporter parken und den Ansagetext ihres Anrufbeantworters mit einer Männerstimme besprechen lassen. Hundegebell im Hintergrund käme auch ganz gut. Der das rät, ist Robert R. Hazelwood, US-amerikanischer Profiler im Ruhestand, einer von sechs Protagonisten, die als Psychologen, Psychiater und Forensiker den Blick in den Abgrund zu leben haben oder hatten. Und stets darauf hoff(t)en, daß der Abgrund nicht – wie Friedrich Nietzsche in „Jenseits von Gut und Böse“ schrieb – in sie selbst hineinblickt. Jedenfalls nicht für immer. Auch über Grenzbereiche erzählt dieser spannende Dok-Film.
„In den unmenschlichen Taten von Serien-mörder/innen steht auch viel über uns geschrieben, sie spiegeln und versinnbildlichen unsere eigenen Unzulänglichkeiten“, sagt Stephan Harbort, deutscher Kommissar, der gerade in einer Tiefgarage im Berliner Europacenter eine Tat analysiert. Helen Morrison aus Chicago kämpft dafür, gefangenen Tätern Elektroden in die Köpfe pflanzen zu dürfen und wird nicht nur von ihrem Ehemann, einem Neurochirurgen, dafür gescholten. Roger L. Depue und Robert R. Hazelwood sitzen vor dem Fernsehgerät und kommentieren Szenen aus DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER, für den sie einst Informationen und Vorlagen für Charaktere lieferten. Die Finnin Helinä Häkkänen-Nyholm telefoniert mit ihrem südafrikanischen Kollegen Gérard N. Labuschange, um Erfahrungen über das Phänomen des „Übertötens“ auszutauschen. Das Böse ist ihnen allen sicher.
BLICK IN DEN ABGRUND versucht sich am inhaltlichen Spagat zwischen Fällen, also reinen Arbeitssituationen, und Porträts der Persönlichkeiten. Für Voyeure ist das nichts, sehr wohl aber für Zuschauer, bei denen das Interesse am Thema nicht montags beim 20.15er ZDF-Krimi beginnt und dort Sonntag um Mitternacht endet. Die Montage der gefundenen Bilder bleibt auf Zug, einzig die Szenen im privaten Umfeld der Profiler wirken mitunter bemüht. Hier hätte die konsequente Interviewsituation mehr gebracht. Momente, in denen die zu bewundernden Männer und Frauen einen wirklich eigenen Blick auf sich selbst gestatten, sind deshalb selten. „Wäre ich ein glücklicherer Mensch ohne diese Arbeit?“, fragt Helinä Häkkänen-Nyholm. Ihr „Ja!“ ist erschütternd.
Österreich/D 2013, 90 min
FSK 16
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation
Regie: Barbara Eder
Kinostart: 20.03.14
[ Andreas Körner ]