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Blue Ruin

Blau ist keine warme Farbe

Zunächst scheint Dwight „bloß“ ein Sonderling zu sein, der ein Autowrack bewohnt und sich in Häusern wäscht, deren Inhaber gerade nicht daheim weilen. Eine Nachricht ändert das: Wade, Mörder von Dwights Eltern, wurde just aus dem Gefängnis entlassen. Der Rumtreiber kalkuliert kühl, rasiert sich, heckt einen Plan aus. Kurze Zeit später die Vergeltung, Wade verröchelt im eigenen Blut. Der Rachedurst könnte gestillt sein – wäre Schwester Sam nun nicht Zielscheibe der Familie Wades ...

Per se harter Stoff, trotzdem beweist Regisseur/Autor Jeremy Saulnier geradezu unglaublicherweise auch Witz, so richtig zynischen, an Bitterkeit kaum zu überbietenden. Etwa dann, als Dwight Sam im schäbigen Diner offenbart, daß sie fortan um ihr Leben fürchten muß – und zwischendurch einem Gast am Nebentisch den angefragten Ketchup reicht. Daß dieser Dwight eben weder zum gängigen Selbstjustiz-Amokläufer noch knallharten Hollywood-Helden taugen will, macht einen großen Teil der allgegenwärtigen Tragik aus; Macon Blairs Schauspielkünste sowie dessen sich auf der Straße leicht wegguckendes Babyface komplettieren das Gesamtbild. Und doch spart Saulnier nicht mit kurzen, dafür umso brutaleren Szenen, nimmt der Gewalt jedes Unterhaltungspotential und drischt regelmäßig in die Magengrube: Selbst horrorfilmgestählte Zuschauer dürften angesichts Dwights laienhafter Eigenoperation nach schwerer Verwundung, bei der Säge und Zange zum Einsatz kommen, vernehmlich laut stöhnen.

Ohne Netz, doppelten Boden oder echte Aussicht auf „Alles wird wieder gut!“ jagt Saulnier Protagonist und Publikum immer tiefer hinein in spiralförmige Verzweiflung, welche bloß eine Richtung kennt. Vorwärts, nie zurück. Runter, kein Licht blinkt am unausweichlichen Ende des Tunnels. Erlösung streiche man aus dem Wörterbuch, die Maschinerie der sinnlose Gegengewalt erzeugenden Gewalt ist angelaufen, Stoppen steht nicht zur Debatte. Nur oberflächlich ein verdammt spannungsgeladener Thriller, kratzt jener fiese Bastard von Drama genüßlich Wunden frei und pult lustvoll drin herum, bis der erzählerische Knochen schimmert.

Denn wirklich kraß und nachhaltig verstörend wirkt schließlich, wenn Dwight, der nicht allein optisch durchschnittlichste aller Durchschnittsbürger, irgendwann den Punkt erreicht, völlig selbstverständlich Dinge zu sagen wie: „Was ist mit dem Rest seines Kopfes?“

Originaltitel: BLUE RUIN

USA 2013, 90 min
FSK 16
Verleih: Falcom

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Macon Blair, Eve Plumb, Devin Ratray, Kevin Kolack

Stab:
Regie: Jeremy Saulnier
Drehbuch: Jeremy Saulnier
Kamera: Jeremy Saulnier

Kinostart: 11.12.14

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...