Ach, man könnte jetzt so schön viele Zitate anführen. Aus Unmassen an melancholischen Songs, aus wehmütigen Gedichten und lakonischer Prosa. Von Querverweisen auf das Kino ganz zu schweigen. Aber all das sei hier, mit Ausnahme der kleinen Anspielung in der Überschrift, einfach mal ignoriert. Vergessen und ausgeklammert. Auch deshalb, weil mit BLUE VALENTINE ein Film in die Kinos kommt, der es verdient, ganz und gar und ausschließlich für sich betrachtet zu werden. Und das, obwohl er von etwas im Leben so furchtbar oft Geschehendem und in der Kunst ebenso oft Reflektiertem erzählt. Dem Ende einer Liebe nämlich. Einer Liebe, die groß und wunderbar im Anfang, wie für die Ewigkeit geschaffen scheinend, doch einfach verloren geht. Irgendwo in der ungefähren Mitte des Lebens.
In der befinden sich Dean und Cindy. Sechs Jahre zuvor lernten sie sich kennen und lieben. Wesensverwandte, mit unbedingter, allen Unbilden trotzender Hingabe zueinander. Wer, wenn nicht die Zwei, mag man denken, wenn Regisseur Derek Cianfrance diesen Anfang einer Liebe in episodischen, genauen Szenen erzählt. Ohne Romantisierung, ohne Hollywood-Kitsch, ohne Phrasen geschieht das. Und trifft tief.
Auch deshalb, weil diese Szenen schon Rückblenden heraus aus einer Beziehung sind, die am Ende ist. Dean und Cindy haben sich verschlissen. Und ihre Liebe gleich mit. Eine gemeinsame Nacht im Motel wird die endgültige bittere Gewißheit bringen. Die Szenen eines Anfangs, dem ein Zauber innewohnt, fügen sich somit in die Szenen einer quälerischen Bewußtwerdung darüber, daß nicht nur dieser Zauber, sondern die Liebe überhaupt zwischen Cindy und Dean verflogen ist. Endgültig.
BLUE VALENTINE erzählt das als empathisches Protokoll. Als ein Film, der mit seinen zwei Helden gemeinsam versucht zu verstehen. Keine Sekunde wird hier die Geschichte an simple Erklärungsmuster verraten. Einfühlen, nicht analysieren ist das Credo. Und doch drängt sich dieses Einfühlen nie auf. BLUE VALENTINE rückt nicht auf die Pelle, sondern geht unter die Haut. Bleibt auf Augenhöhe, weiß nichts besser. Und ist gerade darin einer der klügsten und mithin schönsten Filme, die seit langem zu diesem traurigen Thema gedreht wurden.
Originaltitel: BLUE VALENTINE
USA 2011, 112 min
FSK 12
Verleih: Senator
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Ryan Gosling, Michelle Williams, Faith Wladyka, Mike Vogel
Regie: Derek Cianfrance
Kinostart: 04.08.11
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.