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Bombay Beach

Ballade vom Leben als Außenseiter

Kalifornien, 1905: Zufällig entsteht durch einen Dammbruch am Colorado River der Salton Sea. Ein PR-Spot aus den 50ern: Der „Wundersee in der Wüste“ hat sich zum Naherholungsgebiet gemausert, schicke Badegäste lächeln lässig in die Kamera. Gegenwart: Tote Fische gammeln überall vor sich hin, das Paradies geriet zur Einöde.

Heute regiert dort die Armut, von der einstigen Blüte künden nur noch windschiefe Werbeschilder; Schule, Krankenhaus und andere Errungenschaften der Zivilisation liegen meilenweit entfernt, Individuen vom äußeren Rand der Gesellschaft wohnen in verrottenden Trailern. Darunter Familie Parrish, ehemals Waffennarren und Gefängnisinsassen. Eine Arbeit zu finden, kann das Paar mit solchem Hintergrund vergessen. Dazu Rentner Red, welcher illegal Zigaretten vertickt und von seinen Kindern seit Jahrzehnten nichts mehr gehört hat. Oder CeeJay – er träumt von einem Stipendium und der Liebe.

Nun weiß Alma Har’el, Regiedebütantin und Kamerafrau in Personalunion, natürlich genau, daß solche Existenzen kein Spaziergang sind, findet entsprechend rauhe, dreckige und staubige Bilder. Die jedoch immer wieder aufgebrochen werden, dem Kargen Schönheit abringen, etwa durch surreale, wortwörtlich traumhaft inszenierte Tanzeinlagen. Und sukzessive schwindet sie, die allgegenwärtige Depression, macht Platz für leise Freuden, sucht und findet große emotionale Schönheit: Wie aufopfernd sich Mutter Parrish um ihren bipolar gestörten Sohn kümmert ... Wenn Red rührend eine eng aneinander geschmiegte flotte Sohle mit seiner Seniorenfreundin wagt ... Dies und viel mehr, in hypnotisches Licht getaucht, mit einem handverlesenen Soundtrack untermalt, Gesichter lesend und sich wahrhaftig für eine Handvoll Außenseiter interessierend, auf abwinkende Urteile verzichtend, berichtet, wie wenig ein Heim am Wohlstand hängt. Hier hält man zusammen, zeigt Würde.

Da entsteht ungeachtet der sengenden Unwirtlichkeit ein Pool der Hoffnung und bewahrten Menschlichkeit, fernab grinsender Urlauber auf dem Weg zur nächsten Festivität, obgleich Har’el zugleich auf formelhaftes Attackieren des American Dream verzichtet. Sondern so schlicht wie ergreifend eine zwar verkapselte, doch funktionale Gemeinschaft innerhalb des modernen Getriebes porträtiert und metaphorisch zu einem poetischen Fazit gelangt: Die Wüste lebt. Kraftvoll pochenden Herzens.

Originaltitel: BOMBAY BEACH

USA 2011, 76 min
FSK 6
Verleih: REM

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Alma Har’el
Kamera: Alma Har’el
Produktion: Alma Har’el

Kinostart: 27.09.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...