D 2019, 98 min
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation
Regie: Maryam Zaree
Kinostart: 17.10.19
„Bei uns gibt es alles“, sagt Maryam Zaree ironisch über ihre Familie, „Ausländer, Behinderte, Juden.“ In ihrem Debütfilm eröffnet die aus der Serie „4 Blocks“ bekannte Schauspielerin deren bewegte Vergangenheit: Ihre Eltern waren Inhaftierte in Evin, dem berüchtigten iranischen Folter-Gefängnis. Hier hat ihre Mutter sie nach der Islamischen Revolution unter schlimmsten Bedingungen zur Welt gebracht, nach der Flucht nach Deutschland wurde nie wieder über das Erlebte gesprochen.
So wagt BORN IN EVIN einmal mehr einen Blick vom Kleinen ins Große, vom Privaten zum Politischen, passend zum diesjährigen Berlinale-Motto „Das Private ist politisch“, wo der Film seine Weltpremiere feierte. Doch dann wird zurückgerudert! Zaree schaut im Grunde genommen nur am Rande explizit auf das Politische, das im Iran passiert. Nur selten bricht Archivmaterial in diese Spurensuche herein. Dann verstummt der Film kurzzeitig, wenn die erschreckenden Hinrichtungsbilder erscheinen.
BORN IN EVIN löst sich von bloßer Historisierung dieser Ereignisse, schaut vielmehr in die Gegenwart, auf die Menschen, denen diese Dinge widerfahren sind, und wie sie nun damit weiterleben. Nicht die finale Erkenntnis steht im Vordergrund, sondern das Prozeßhafte, das Annähern und Ankämpfen gegen das Schweigen und für eine Auseinandersetzung mit dem Erlebten. Hier treffen zwei Generationen aufeinander, die gerade begreifen, wie Traumata und Verdrängtes auf die Nachkommen überspringen. Das mutet in den Zeugengesprächen etwas orientierungslos und sprunghaft an, doch der Regisseurin gelingt es dennoch, das Universelle der Thematik herauszuarbeiten. Beklemmend, wie dabei das Körpergedächtnis hinterfragt wird, wenn das Unbewußte nach außen dringt! Da sind plötzlich diese unerklärlichen Schweißausbrüche. Später erfährt Zaree, daß die psychologische Folter wohl dafür verantwortlich sei, bei der permanent laut Koransuren im Gefängnis abgespielt wurden.
BORN IN EVIN ist ein sehr persönliches Dokument geworden, das dennoch die breite Debatte sucht. Das ist etwas oberflächlich, aber doch mit viel Gefühl und einer Dringlichkeit für das Fragenstellen versehen. Die Last des Vergangenen trägt die Protagonistin hier als Fallschirm mit sich herum. Eine Metapher, deren finale Befreiung eher behauptet wirkt. Für einen Abschluß dieser bewegenden Reise bedarf es gefühlt noch vieler weiterer solcher Filme.
[ Janick Nolting ]