Eines Morgens erwacht Andrej Sokolow, Heizer in einem Moskauer Kesselhaus, mit einem Kater. Auf dem Fenstersims entdeckt er einen großen schwarzen Raben, der nicht nur sprechen, sondern auch trinken kann (was sonst?). Als das Tier einen Bücherstapel zum Einsturz bringt, findet Sokolow unter den Bänden von Poesie und Prosa ein altes Notizbuch mit Adressen und Telefonnummern. Dieses weckt in ihm Erinnerungen an sein früheres Leben, als er ein berühmter Schauspieler war, der die Herzen der Zuschauer (und besonders der Frauen) eroberte. Mit angeklebten Backenbärten als Puschkin verkleidet (!), macht er sich auf, alte Freunde und ehemalige Geliebte zu besuchen...
Eine Art sentimental journey wird zum Porträt jener verlorenen Generation der über 40jährigen, die ihre Träume weder vor noch nach der Zeitenwende verwirklichen konnten. Über seine lyrische Komödie bemerkt der Regisseur: "... Mein Film handelt von einem Menschen, der am Rand der Straße sitzt, sowohl im direkten als auch im allegorischen Sinne. Die Tragödie Rußlands besteht darin, daß ein Volk seine alten Helden vergessen und keine neuen erschaffen hat. Worauf wartet das russische Volk? Nur auf ein Wunder. Es baut nicht auf eigene Kräfte oder Fähigkeiten. Die Erwartung eines Wunders ist das zentrale Gefühl, das die gesamte Geschichte Rußlands durchdringt. Der Vorgang des Trinkens hat im Film einen prinzipiellen Charakter und stellt eine Metapher dar. Der Wodka ist für Rußland auf der einen Seite ein Unglück, auf der anderen aber eine Notwendigkeit. Er wärmt in einer Klimazone, in der der Winter sechs Monate währt und sechs weitere Monate Vorbereitungen erfordert - und er macht lustig. Zweitens versenkt dieses Getränk den russischen Menschen in eine Lebensillusion, führt weg von der Realität und in die Hoffnung auf das Wunder ... Wir sollten dabei aber nicht vergessen, daß Strastnoj Bulwar ein ironischer Film ist. Nicht eine einzige Szene ist ernst gemeint!"
Originaltitel: STRASTNOJ BULWAR
Rußland 1999, 108 min
Verleih: Kinemathek
Genre: Satire
Darsteller: Sergej Koltakow, Nina Usatowa
Regie: Wladimir Chotinenko
Kinostart: 25.05.00
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