Der Zug wird langsamer, als er ein unscheinbares Dorf inmitten des rumänischen Flachlandes passiert, Türen werden aufgestoßen, Koffer herausgeworfen, ein paar Reisende folgen vorsichtig. Man muß genau wissen, wo man am besten vom Zug abspringt, um die Siedlung Zece Prajini zu erreichen. Einen Bahnhof gibt es nicht. Henry, der junge Deutsche, ist nicht zum ersten Mal hier. Es drängt sich sofort die Frage auf: Warum sollte jemand freiwillig in diese abgelegene Ortschaft kommen, deren Name übertragen "Zehn Felder" bedeutet und Auskunft über die unspektakulären Dimensionen gibt?
Es ist die Musik der Dorfkapelle "Fanfare Ciocarlia", die Henry immer wieder herführt. Blechblasmusik - gespielt von Zigeunern - schnell, laut und gut. Diesmal möchte er mit Radu, Cimai und den anderen zehn Musikerkollegen die Aufnahmen für die neue Platte "Iag Bari" vorbereiten. Schon wenige Monate später sind "Fanfare Ciocarlia" auf Tournee durch Europa ...
"Fast-Speed-Brass-Music" wird die furiose Mischung aus traditioneller Blechblasmusik und modernen Arrangements auf der Homepage von "Asphalt Tango Production" genannt. Diese Berliner Agentur für internationale Musik bringt seit einigen Jahren "Fanfare Ciocarlia" auf die Bühnen der Welt und in die Gehörgänge interessierter Plattenkäufer. Mühelos gelingt es BRASS ON FIRE, dem Zuschauer die eher ungewöhnliche Musik näher zu bringen und den Focus vor allem auf den spannungsreichen Kontrast zwischen musikalischer Berufung und dem Alltag in Rumänien zu lenken. Gerade noch durch kniehohen Schlamm zur Hütte gewatet und mit zwei Drähten und einer Steckdose eine abenteuerliche Elektrifizierung für die Bandprobe gezaubert, im nächsten Moment schon im Flieger nach Japan. Dem Zuschauer wird ein umfassender Rundblick genehmigt, ehrlich und direkt. Liebesglück hat da ebensoviel Platz wie Reibereien im Tonstudio oder die Koordination im Berliner Büro.
Im letzten Drittel gerät dabei zwar das Tempo ins Trudeln. Doch anders als beim ähnlich gelagerten BUENA VISTA SOCIAL CLUB erreicht BRASS ON FIRE den Zuschauer nicht nur im Kopf, sondern bewegt sich im Takt dahin, wo der Film hingehört: in den Bauch, ins Herz. Und in die Beine.
Originaltitel: BRASS ON FIRE - IAG BARI
D 2002, 103 min
Verleih: Ventura
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Ralf Marschalleck
Kinostart: 19.09.02
[ Roman Klink ]