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Breakfast On Pluto

Bittersüße Odyssee einer schillernden Identität

Als die Ziehmutter den Knaben geschminkt in Kleinmädchenputz erwischt, droht sie dem großäugigen Kind, wenn dies nochmals geschehe, ihn so auf die Straße zu schicken! Darauf das aufgeweckte Bübchen: "Versprochen?" Grandiose Ouvertüre zur Odyssee des Findelkindes Patrick, quasi Auftakt zur Schmetterlingswerdung, zur schräg-kauzigen Formung eines ganz außergewöhnlichen Menschen. Es ist der Beginn einer hinreißend erzählten Geschichte vom Anecken, vom Verteidigen, vom Suchen nach Schutz, vom Finden der Liebe. Patrick ist anders, ein milchhäutiger Knabe mit der Seele und der Eleganz einer Glitzer-Fee, einer Alabaster-Elfe. Solche Wesen stören immer.

Schon in der katholischen Schule, als er mal so ganz entspannt nach einer Geschlechtsumwandlung fragt, ganz klar auch, als er in einem Aufsatz über seinen möglichen Vater sinniert - der sittenstrenge Pater Bernhard soll Pats verschollener leiblicher Mutter einst an den Kittel gegangen sein. Es ist klar, in dieser irischen Enge ist kein Platz für einen Sonderling, London Is Calling! Und so erobert dieses schöne Geschöpf, das jetzt - was ganz logisch ob seiner knieerweichenden Anmut scheint - Kitten heißt, nicht gleich die Welt, aber zumindest das Herz eines Rockers. An seiner Seite schnuppert er IRA-Sprengstoffpulver-geschwängerte Luft und ist trotzdem noch immer weit vom eigentlichen Ziel entfernt. Ist ja auch kein Wunder: Schließlich will er glücklich sein und eigentlich nur Mutti finden ...

Neil Jordan ist zurück, er ist wieder da, wo er mit THE CRYING GAME war, im Schoß brillanten Kinos. Er ist zurück mit all seiner profunden Liebe zu in Seenot Geratenen, zu diesen schrägen Figuren, die bei ihm immer viel mehr lieben, geben, suchen, danken - was bei Jordan trotz aller Überhöhung ja auch immer realistisch ist. Unser Kätzchen testet sich und seine Wirkung aus, oft jenseits von Verstand und Ratio, aber immer mit offenem Herzen, immer mit großer Neugier, die aus den blauen Augen strahlt, egal ob auf dem Strich oder auf der Bühne als schräge Squaw, denn es weiß: irgendwo, ja irgendwann, ein irgendwer ...

Zum Glück versteht Jordan auch was von Märchen: so zwitschern zwei in Milch pickende Vögel sich zu Beginn und zum Schluß dieses bittersüßen Ritts durch eine groß angelegte Identität und den genialen Soundtrack, den ein Leben in der 70ern schrieb, große Weisheiten über den menschlichen Irrsinn zu. Und im wahren Leben fallen Kätzchen wie Patrick leider nicht immer auf die Pfoten, hier aber entläßt Jordan das gutgläubige Kitten aus den Giftkrallen eines von Bryan Ferry furchteinflößend gegebenen Fieslings. Das Publikum darf aufatmen, ist es doch längst verliebt, und es bangt, hofft und weiß: irgendwann, ja irgendwo, ein irgendwer ...

Originaltitel: BREAKFAST ON PLUTO

Irland/GB 2005, 134 min

Genre: Schwul-Lesbisch, Tragikomödie

Darsteller: Cillian Murphy, Stephen Rea, Brendan Gleeson, Liam Neeson

Regie: Neil Jordan

Kinostart: 25.05.06

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.