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Brennen im Wind

Herbe Liebes-Poesie für Melancholiker

Silvio Soldinis Lust auf Komödien ist nach BROT UND TULPEN erst einmal gestillt. Wie es scheint gründlich, denn sein neuer Film wird - trotz ökonomisch eingesetzter Ironie - vor allem von Melancholie und einer vagen Stimmung aus Unbehaustsein und Fremdheit getragen.

Diese Gefühle sind es, die dem Tschechen Tobias den stumpfsinnigen Alltag im selbstgewählten Exil fast unerträglich werden lassen. Die Schuld am Tod seines Vaters drückt ihn nieder, das verzweifelte Festhalten an einer Liebe aus Kindertagen wütet in seinen Eingeweiden. Vor beidem war er als Junge in die Schweiz geflohen. Auch nach fast fünfzehn Jahren in der neuen Heimat hat er nichts davon vergessen können. Zufall oder Schicksal, jedenfalls höhere Fügung setzt die Sehnsuchtsfrau, die Tobias nur als Line und mit Zöpfen kennt, zu ihm in den Bus. Doch sie ist inzwischen verheiratet. Das ungestüme, in seiner fordernden Vehemenz fast bedrohliche Werben um die scheinbar zum zweiten Mal verlorene Liebe, wird zum Symbol für den Kampf um eine seelische Heimkehr. Soldini, der hier erstmals nicht nach einer eigenen Vorlage arbeitet, wählt die Mittel seines Kampfes entsprechend - Ort und Zeit bleiben bis auf wenige Markierungen unbestimmt, psychologische Handlungsmotivationen treten hinter ein absolut gewordenes Wollen zurück. Das hermetische Universum im Kopf der Hauptfigur, das schon deshalb ein poetisches ist, weil Tobias es selbst schreibend begreift, bildet so Form und Inhalt des Erzählens gleichermaßen.

Episodische Schlaglichter auf andere Fremde, von denen es in diesem lyrisch-traurigen Bild der Schweizer Provinz nur so wimmelt, wirken lediglich stützend. Tristesse, düstere Farben und das Diffuse eines dichten Nebels aus großen Emotionen dominieren - und machen Soldinis Plädoyer für eine (mit Inzest und Schuld belastete) Liebe ohne Kompromisse, bisweilen sehr schwer greifbar. Im Hinblick auf das wirklich eigenartige Happy End muß die Vorstellungskraft des Betrachters ohnehin zu einem schier widernatürlichen Sprung ansetzen.

Originaltitel: BRUCIO NEL VENTO

I/CH 2001, 118 min
Verleih: Prokino

Genre: Literaturverfilmung, Liebe, Poesie

Darsteller: Ivan Franec, Barbara Lukesová, Petr Forman

Stab:
Regie: Silvio Soldini
Drehbuch: Silvio Soldini

Kinostart: 22.08.02

[ Sylvia Görke ]