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Brimstone

Den Frauen sei Dank

Der Wilde Westen war eine Männerwelt. So will’s jedenfalls der Mythos, zumal in einschlägigen Filmen. Die Rollen, die Frauen in dieser Welt zu spielen gezwungen waren, ist ein Sujet, das der Western bestenfalls streifte. Sich auf weibliche Lebensumstände fokussierende Genrebeiträge sind Ausnahmen. Daß diese, von Nicholas Rays JOHNNY GUITAR bis zu Tommy Lee Jones’ THE HOMESMAN, oft zu den Meisterwerken des Genres gehören, mag für sich sprechen – und weckte jetzt auch bezüglich Martin Koolhovens BRIMSTONE entsprechende Hoffnungen.

Mit Mann, Tochter und Stiefsohn lebt die stumme Hebamme Liz ihr hartes, aber friedliches Leben auf einer Farm. Eine Frau, ganz charakterstarke Unerschütterlichkeit. Bis zu dem Tag, an dem dieser Prediger in der Gemeinde auftaucht. Ohne Namen, mit vernarbten Gesicht. Ein Teufel, der das Wort Gottes im Mund und Böses im Schilde führt. Was Liz nur zu gut weiß. Ist dieser Mann doch jener Hölle entstiegen, aus der sie entflohen zu sein wohl nie wirklich gehofft hatte.

BRIMSTONE steigt hinab in diese Hölle. Folgt in einer episch weit ausholenden Ellipse der Lebensgeschichte von Liz, die sich schnell als Passionsgeschichte düsterster, gewalttätigster Färbung entpuppt. Nicht umsonst schließlich heißt Liz eigentlich Joanna. Ein Name, der ja verpflichtet. Zum Dasein, irgendwo zwischen Heiliger und Kriegerin. Beides sein zu müssen, hätte diese Frau gern samt ihres alten Namens hinter sich gelassen. Doch ist ihr von der Vorsehung und dieser Männerwelt sowieso vor allem eins zugeschrieben: das Schicksal der Märtyrerin. In jeder Szene spürt man es: wie hier in und neben den kinematographischen Querverweisen auf Corbuccis LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG oder Laughtons DIE NACHT DES JÄGERS das Bedürfnis nach der alttestamentarischen Wucht tuckert. Mit „Offenbarung“, „Exodus“, „Genesis“ und „Vergeltung“ sind die Akte überschrieben. Zu Inzest, Wahn, Verstümmelung und Meuchelei grummeln düstere Musik und Sätze wie „Viele Menschen glauben, daß Gott die Gewalt ablehnt – sie haben ihre Bibel nicht gelesen.“

Es ist der Dauerehrgeiz zur Überhöhung, die hier schnell zur bloßen Überhebung gerät. Von Meisterwerk keine Rede. Leider. Was nicht an den Frauen liegt, den Schauspielerinnen, die auch in dieser kruden Mär recht obligater Männerphantasien den Kontrapunkt unprätentiöser Könnerschaft setzen. Und den Film somit retten und sehenswert machen.

Originaltitel: BRIMSTONE

NL/GB/F/D/S 2016, 149 min
FSK 16
Verleih: Kinostar

Genre: Drama, Western

Darsteller: Dakota Fanning, Guy Pearce, Carice van Houten, William Housten

Regie: Martin Koolhoven

Kinostart: 30.11.17

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.