Mangelnde Selbstsicherheit kann man dem deutschen Poster nun nicht gerade attestieren: „Der wahre Pferdeflüsterer“ poltert es als Titelzusatz, außerdem preist Nicholas Evans den im zugehörigen Film porträtierten Buck Brannaman gleich als Inspirationsquelle. Puh. Da hat das Layout richtig Gas gegeben. Und wurde, so viel sei vorab gesagt, direkt aus der Kurve getragen, denn derlei Getöse haben weder diese Doku noch der Protagonist wirklich nötig.
Bevor Letzterer allerdings erstmals ins Bild tritt, dauert’s einige Zeit, gefüllt durch Westernbilder und Lagerfeuermusik – wohl ganz folgerichtig nennt der Vorspann den Komponisten zuerst. Die Richtung ist klar, nun steht das Wecken von Interesse auf dem immer klug montierten Plan. Und da kommt er jetzt endlich, Buck Brannaman, Pferdetrainer und irgendwie auch -heiler, dessen Philosophie darin besteht, das ihm zugeführte widerspenstige Pferd nicht zu brechen. Erfolgreich, wie im weiteren Verlauf zu sehen ist.
Zugegeben: Vor die Wahl zwischen Mensch und Tier gestellt, fiele dem Autor die Entscheidung nicht schwer. Ob Bucks Methoden allgemein richtig sind, mögen deswegen pferdeaffinere Zuschauer entscheiden, hier geht es bloß um den Mann selbst sowie die dokumentarische Aufdröselung seiner Arbeit. Und mit Blick darauf muß man BUCK einen überraschend hohen Unterhaltungswert bescheinigen: Ob Robert Redford Anekdoten vom DER PFERDEFLÜSTERER-Dreh zum Besten gibt, Brannaman verrät, was der Durchschnittskerl als größtes Aphrodisiakum für die Gattin tun kann, oder Tochter Reata ihren Vater in pubertierender Respektlosigkeit mal eben „Travel-Nazi“ schimpft – es gelingt tatsächlich, das übliche Talking-Heads-Prinzip aufzubrechen.
Okay, erneut zugegeben: Bezüglich der Stilisierung Bucks zur nirgends kritisierten Lichtgestalt läuft dann doch alles in gewohnten Bahnen. Aber man bemerkt es kaum, eigentlich erst im Nachgang, weil das Gezeigte, sofern es Bucks miese Kindheit betrifft, auf emotionalen Überhang verzichtet und fasziniert, wenn der Umgang mit den Vierbeinern im Mittelpunkt steht. Bis hin zu einem soziopathischen Hengst, bei dem jede potentielle Hilfe versagt.
Letztlich funktioniert das Gesamtpaket daher vor allem beim Abbilden eines Kumpeltyps, mit dem man ... na ja ... schon glaubt, Pferde stehlen zu können. Und dessen wundervolle Pflegemutter ihren eigenen Film verdient hätte.
Originaltitel: BUCK
USA 2011, 88 min
FSK 6
Verleih: NFP
Genre: Dokumentation
Darsteller: Buck Brannaman, Robert Redford
Regie: Cindy Meehl
Kinostart: 31.05.12
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...