Nur gut, daß es diese kleinen, wahrhaftigen Geschichten fernab krachender Materialschlachten und Heile-Welt-Gesülzes tatsächlich noch gibt. Weniger schön, mit welcher Mißachtung sie meistenteils gestraft werden. Hoffen wir auf Interesse an BUNGALOW, denn wie jeder gute Film trifft dieses gelungene Debüt den Zuschauer genau dahin, wo es sein muß: mitten in Herz und Kopf.
Auf dem Transport vom Manöver Richtung Kaserne wird Rekrut Paul schlicht vergessen. Er hat nicht wirklich etwas dagegen und fährt zum Häuschen der verreisten Eltern, um erst mal träge zu masturbieren. Das wird vorerst seine größte Aktivität bleiben; abgesehen von unerfüllbaren Vorhaben (z.B. nach Afrika auszuwandern) hält Phlegma den Jungen gefangen. Die Armee sucht nach Paul, später stößt noch Bruder Max mit Freundin Lene zu ihm. Latente Feindseligkeit unter den Geschwistern schwelt unter brütend heißer Sonne, bis alle wie auf einem Pulverfaß sitzen, weil Paul immer wieder seine eigentlich unausweichliche Rückkehr zur Bundeswehr aufschiebt, sich zudem aussichtslos in Lene verliebt. Die zur Explosion führende Initialzündung erfolgt dagegen niemals – zu still stehen Luft und Existenzen.
Mehr passiert auch nicht: Einige Menschen verbringen vier handlungsarme Tage, pflegen vorwiegend wenig aussagenreiche Kommunikation, streiten manchmal, erleiden kleinere Rückschläge oder schauen einfach der Zeit beim Vergehen zu. Null Action, keine musikalische Untermalung, tiefste Ruhe. Nun könnte man glauben, dies sei trocken und substanzlos, doch weit gefehlt! Was hier dem geneigten Zuschauer präsentiert wird, ist so viel mehr: lakonische Komödie ohne wirkliche Lacher. Gehemmtes Roadmovie ohne Aufbruch. Sperriges Drama ohne Effekthascherei. Halbherzige Flucht ohne klares Ziel. Summiert die unbequem authentische Obduktion eines Lebensgefühls.
Dabei resultiert die erzielte Wirkung nicht zuletzt aus der geglückten Besetzung Lennie Burmeisters als Paul, dessen Blick ständig fragt: "Was tue ich hier eigentlich?" Alles scheint vorbei, bevor es richtig angefangen hat – womit man der Realität näher kommt, als es unserer selbstvergessenen Gesellschaft lieb sein kann.
D 2002, 84 min
Verleih: Basis
Genre: Erwachsenwerden
Darsteller: Lennie Burmeister, Trine Dyrholm, Devid Striesow, Nicole Gläser
Regie: Ulrich Köhler
Kinostart: 17.04.03
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...