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Buried – Lebend begraben

Ein Überlebenskampf als gnadenloses Kammerspiel auf engstem Raum

Im Spannungskino werden Schauspieler gern lebendig begraben: Unter anderem traf es 1962 Ray Milland, später dann Jennifer Jason Leigh ebenso wie Uma Thurman, Sandra Bullock oder Kiefer Sutherland. Dabei lagen die genannten Damen und Herren entweder nur sehr kurz oder gar nicht sichtbar in der Kiste. Dieser Film geht da einen gewaltigen Schritt weiter.

Hier erwacht Paul Conroy, Familienvater und Lastwagenfahrer, in einem von Sand bedeckten Sarg – hat man ihn in der Wüste vergraben? Paul weiß es nicht, kennt vorerst zudem keine Gründe, findet aber neben sich immerhin ein Handy mit schwachem Akku und arabischem Menü sowie ein Feuerzeug, welches – wie auch die Panik-Atmung des Unglückseligen – den Sauerstoff rapide verringert, der Erstickungstod rückt mit jeder Minute näher. Paul beginnt zu telefonieren ...

Wiederholen wir das: Es gibt kein künstliches Licht, Flamme und Handydisplay müssen genügen. Außenaufnahmen in Form von Rückblenden oder Schnitten auf Gesprächspartner existieren ebenfalls nicht. Hier liegt die ganze (Echt-)Zeit über ein Mann im Dunkel zusammengequetscht, andere Schauspieler treten bloß auf Basis ihrer Stimmen in Erscheinung, mal abgesehen von einer krassen Videobotschaft und möglicherweise dem Ende, welches wir natürlich nicht verraten. So etwas soll spannend sein? Ja. Und wie.

Neben erstaunlichen visuellen Einfällen, um der Statik des Geschehens zu entgehen, sorgt dafür primär das Skript: BURIED hämmert den Zuschauer konsequent in den Kinosessel, kann darüber hinaus aber auch als hundsgemeine Satire betrachtet werden. Wenn Paul diverse Bürohengste und -stuten um Hilfe anfleht, während diese durch dämliche Fragen seine im Wortsinne Lebenszeit verschwenden, um schließlich keinen Millimeter vom Dienstweg abzurücken, sind das dennoch bloß Banalitäten im Vergleich dazu, was ihm sein Chef mitteilt: Dessen Reaktion ist an Menschenverachtung und Zynismus wirklich schwer zu überbieten. Was dem Thriller ebenso weitere Subtexte hinzufügt wie eine bestimmte Szene, welche angesichts ihrer emotionalen Wucht vielen Dramen zur Ehre gereicht. Kleinere Unstimmigkeiten sind dabei vorhanden (Warum verfügt Paul unter der Erde über ein so stabiles Handysignal?), aber im Rahmen des Inszenierungsansatzes akzeptabel, weil der Film sie nicht für irgendwelche Standard-Wendungen nutzt, sondern dazu, die Handlung intensiver zu gestalten.

Womit noch Ryan Reynolds erwähnt sein muß: Ganz klar könnte all das kaum funktionieren, wäre die Hauptrolle schwach besetzt. Doch Reynolds, bislang eher durch Attraktivität als Talent aufgefallen, meistert jede Herausforderung. Wie er sich mimisch, ungeachtet der Enge mit Körpereinsatz und sogar stimmlich in Pauls Lage versetzt, ist meisterhaft. Man glaubt dem Regisseur aufs Wort, wenn er sagt, Reynolds habe die Dreharbeiten „als physisches Wrack“ abgeschlossen. Schade, daß der Mann demnächst wieder im Superhelden-Popcornkino unterwegs sein wird.

Ungeachtet aller sonstigen genannten Tugenden sollte man ergo schon allein wegen Reynolds' Leistung erleben, ob Paul seinem Schicksal entfliehen kann, oder dieser Sarg zu seiner letzten Ruhestätte gerät. Aber so oder so sei im besten Sinne gewarnt: Bereits vor Ablauf der anderthalb Stunden liegen die Nerven blank.

Originaltitel: BURIED

USA/Spanien 2010, 93 min
FSK 16
Verleih: Ascot

Genre: Thriller, Psycho

Darsteller: Ryan Reynolds, Robert Paterson, José Luis García-Pérez, Stephen Tobolowsky, Samantha Mathis

Regie: Rodrigo Cortés

Kinostart: 04.11.10

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...