D/Österreich 2019, 116 min
FSK 0
Verleih: Pandora

Genre: Dokumentation

Regie: Erwin Wagenhofer

Kinostart: 14.11.19

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But Beautiful

Plädoyer für den Versuch, einen Unterschied zu machen

Es gehört Mut dazu, im Jahr 2019 einen Dokumentarfilm über das Schöne ins Kino zu bringen und damit weder Botox-optimierte Gesichter noch hochdekorierte Kunst an der Wand zu meinen, sondern Menschen, die im Hier und Heute versuchen, die Welt ein bißchen besser zu machen. Klingt erst mal nach hoher Hippie-Dichte und viel Weichzeichner, lohnt aber der näheren Betrachtung, wenn der Regisseur Erwin Wagenhofer heißt. Ein Blick auf die bisherigen Filme des Österreichers zeigt, daß er sich in den letzten Jahren immer wieder mit extrem relevanten und kontroversen Themen beschäftigt hat.

WE FEED THE WORLD machte 2005 den Anfang. Mehr als 800.000 Zuschauer wußten danach, daß gutes Essen nicht zur Kernkompetenz der Lebensmittelindustrie gehört. Und während man noch überlegte, was man angesichts der Enthüllungen über Nestlé und Co. eigentlich noch verzehren kann, ging Wagenhofer 2008 einen Schritt weiter und drehte mit LET’S MAKE MONEY den Anschlußfilm, in dem er die perverse Marktlogik von Tradern und Fondsmanagern offenlegte, die Geldgier und Skrupellosigkeit salonfähig machten. Mit ALPHABET kam der Österreicher 2013 dann dort an, wo Konkurrenz und Wettbewerb eingeübt wurden: in der Schule. Spätestens hier, so Wagenhofer heute, wurde ihm klar, daß er seine Perspektive ändern muß. Statt Fehlentwicklungen zu kritisieren, gelte es, Alternativen aufzuzeigen.

BUT BEAUTIFUL eröffnet daher ganz folgerichtig eine andere Perspektive auf die Welt als Beziehungsgeflecht, als Ort des Austauschs und der Kooperation. Wagenhofer sucht und findet Menschen, die sich trotz allem auf den Weg gemacht haben: Frauen ohne Schulbildung, die in aller Welt in abgelegenen Dörfern Solaranlagen installieren, Permakultur-Visionäre auf La Palma, die Ödland in neues Grün verwandeln. Ein Förster, der die gesündesten Häuser der Welt entwickelt. Der Dalai Lama und seine Schwester, die Wege in ein anderes Morgen beschreiben. Und Musiker, die sich dem Jazz verschrieben haben und nicht nur einen wunderbaren Score beitragen, sondern den Film auch inhaltlich stark bereichern.

Die Protagonisten faszinieren, gerade weil sie sich trotz ihrer großen Unterschiede auf faszinierende Weise ganz ähnlich äußern. Wenn der österreichische Förster, genau wie der Dalai Lama und die kolumbianische Sängerin, von der ungeahnten Kraft schwärmt, die Kooperationen entfesseln können, dann wird spürbar, daß und wie Dinge in Bewegung kommen. Wagenhofer knüpft mit leichter Hand Verbindungen und lädt dazu ein, sich auf Gedankenexperimente einzulassen. Was würde sich ändern, wenn Wissen nicht mehr nach abstrakten Kriterien zertifiziert, sondern danach bewertet würde, welchen konkreten Nutzen es hat? Was wäre, wenn wir eine Landwirtschaft betrieben, die die Natur nicht belastet, sondern mit ihr in Einklang funktioniert? Wenn Kooperation statt Konkurrenz das Gebot der Stunde wäre?

Es ist Wagenhofer hoch anzurechnen, daß er bei aller Utopie das im Filmtitel verankerte „Aber“ durchaus ernst nimmt. BUT BEAUTIFUL ist nicht einfach das optimistische Gegenstück zu seinen bisherigen, problemorientierten Filmen. Es ist vielmehr eine Einladung, sich trotz eines klaren Bewußtseins für den Ernst der Situation auf den Weg zu machen. Der künstlerische erste Schritt auf einem neuen Marsch durch die Institutionen. Und in gewisser Weise vielleicht auch ein Versuch, auf die von „Fridays For Future“ zu Recht artikulierte Wut und Furcht eine möglichst adäquate Antwort zu finden. But Beautiful.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.