CH 2015, 82 min
FSK 0
Verleih: Farbfilm
Genre: Dokumentation
Regie: Jonas Frei, Manuel Schweizer
Kinostart: 04.06.15
Nahaufnahme einer hornhautbedeckten Fußsohle: An der Ferse einer jungen Frau hat sich eine fiese Blase gebildet. Weiße, knittrige Haut verschwindet schnell unter einem Pflaster. Es schmerzt. Ihre Reise kann sie vorerst nicht fortsetzen. Es ist kein schönes Bild, welches die Regisseure Jonas Frei und Manuel Schweizer da ins Visier nehmen, aber es macht eines deutlich: Die Beschreitung des Jakobswegs ist kein Spaziergang. Waren es im 11. und 12. Jahrhundert hauptsächlich christliche Pilger, die sich auf den Weg machten, um das angebliche Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostella zu erreichen, sind es heute vorrangig vom Burnout bedrohte Hedonisten, die dem Ruf der Rettung folgen. Die Wanderung über spanische Feldwege und Gebirgspfade als Weg zu sich selbst – in Zeiten zunehmender Esoterisierung ein gelungenes Heilsversprechen. Vor sieben Jahren machte Hape Kerkeling mit seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ den Jakobsweg auch in Deutschland salonfähig.
Seit Jahren nun ist vor allem auf der bekanntesten Route, dem Camino Francés, der von den Pyrenäen zum Jakobsgrab führt, die Hölle los. Menschen in Funktionskleidung aus aller Herren Länder bevölkern Spaniens Natur. Manchmal ist die Pilgerdichte ähnlich hoch wie die Passantendichte in einer Einkaufspassage. Zwischendrin fliegt die Kamera hoch über die Kirchenmauern und die begrünten Berge, folgt einer Mutter und ihrem Sohn, die zufrieden losstapfen, oder einer Frau, deren Regencape so eng ums Gesicht geschnürt ist, daß die Haut um die Augenbrauen Falten wirft. Auch wenn das Wetter schlecht ist, die Stimmung bleibt den gesamten Film über gut – denn die Reise ist eine Mission. Jakobswandern als Mittel zum Zweck, so sieht das aus.
Die Geschichten der Wanderer werden nur derart angerissen, daß der Film zur Ansammlung kurzer, den Jakobsweg glorifizierender Statements mutiert, eine Art Werbefilm. Aber warum nur? Jedes Jahr verfallen rund 200.000 Besucher dem Jakobshype. Im Grunde ist auch nichts dagegen einzuwenden, sein Leben laufend zu reflektieren. Gut, man könnte auch den Harz bewandern, aber der Jakobsweg liegt nun mal im Trend. Eine zusätzliche filmische Befeuerung ist da eigentlich kaum nötig. Schade ist, daß die Filmemacher das Wanderphänomen ohne größere Distanz betrachten, nur am Ende der Dokumentation ploppt kurz Kritik an Müll und Kommerz auf. Die eigene Lust am Wandern hat man dann aber schon in Frage gestellt.
[ Claudia Euen ]