Originaltitel: CAMPO
Portugal 2018, 100 min
Verleih: Steppenwolf
Genre: Dokumentation, Experimentalfilm
Regie: Tiago Hespanha
Kinostart: 02.01.20
Zu den Ausflugszielen eines Lissabon-Aufenthalts wird Alchochete wohl eher nicht gehören, obwohl der Ort nur knapp 20 Kilometer entfernt ist. Die Region offeriert – wo man sie betreten darf – zu vieles, das sich auch anderswo finden ließe. Reizvoll ist sie für die kostbare Urlaubszeit auch aus anderem Grunde nicht. Sie liegt am Campo, am Feld, auf gut Militärisch: am Übungsacker. Es ist Europas flächenmäßig größter Kampfplatz für den Frieden und den Fall, daß es mal Krieg gibt.
Dem portugiesischen Regisseur Tiago Hespanha erschien das Gelände reizvoll genug, um dort eine Parabel auf alles Menschliche spielen zu lassen. Dabei herausgekommen ist eine Art Essay, eine Versuchsanordnung
von (pseudo-)philosophischen Gedankenströmen und dokumentierten Natur-, Objekt- und Körperszenen, von Bäumen, Tieren, Granaten und jenen, die sie abschießen oder einfach nur hören müssen. Nachts, tags, speziell, wenn der Wind so komisch steht. Hespanha wollte auf und am Campo über „unseren Genius und unsere Fragilität“ nachdenken. Über Transzendenz. Die Bilder zumindest sind schön.
Will meinen: Auf der Optik lastet eine ganze Menge in diesen 100 Minuten, und da sind einige wunderbare Aufnahmen dabei. Schon am Anfang mit fast surreal anmutendem morgendlichen Nebel, aus dem sich Schafe schälen und dann Fallschirmspringer. Schnell aber ist das Konzept von CAMPO erkannt und durchschaut, denn vom offensiven Aneinanderschneiden vieler Gegensätze soll dieser Film leben. So wie wir eben sind, wir Erdlinge: züchten Bienen, lauschen Vogelstimmen, sind Piloten von echten und Modellfliegern, komponieren feine Klavierstücke, sind offenen Mundes erstaunt über Mond und Sterne – und hauen alles kurz und klein, wenn es sein muß. Oder soll.
Mäandernd streift CAMPO in Soldatenübungen, schaut auf Tarnanzüge mit Gesichtern dran, blickt durch Frontscheiben, läßt es krachen. Und geht weg von dort, hin zu den Bienen, zum Tschirp-Zirp überm See, zu ferngesteuertem Plastik, Klavieren und Teleskopen.
Schwer verdaulich sind die von Hespanha selbst eingesprochenen Zwischentexte im Themenkreis von griechischer Mythologie über Kafka hin zu den Montgolfiers und Juri Gagarin. Sie entfalten eine Wirkung wie ein fader Fado. Immer einen Zacken zu schwer fürs Gemüt. Im Reigen der viel zu vielen Bundesstarts auf deutschen Leinwänden gehört CAMPO damit leider zu den verzichtbaren.
[ Andreas Körner ]