Zäune, Überwachungskameras, Zimmertüren, die nicht abschließbar sind, und ein verglaster Hintereingang für die meist nächtlichen Polizeieinsätze. Das sind die Eckpfeiler der Verwahrung von Menschen, die in ihrem Land Krieg und Verfolgung ausgesetzt sind und bei uns Schutz suchen. Die Bundesregierung scheint zu glauben, daß die Bundesbürger vor ihnen beschützt werden müssen. Dabei bringen die Flüchtlinge neben genug eigener Angst vor allem einen großen kulturellen Schatz mit.
Den hat Heinz Ratz mit seiner Skapunkpolkarockband Strom&Wasser gehoben. 80 Flüchtlingslager hat er in Deutschland besucht und dort Musiker getroffen, die durch Reise- und Arbeitsverbote meist über Jahre in Heimen dahinvegetieren. Mit gut 30 dieser Musiker aus Gambia, dem Iran, Afghanistan, Kenia, Rußland, der Elfenbeinküste und Griechenland hat er eine Platte aufgenommen. Musik, die in den Flüchtlingslagern gefangen war und Gefahr lief, vergessen zu werden.
Mit viel Courage und durch die Unterstützung etlicher Helfer, auch aus dem Internet, ist nun ein Film über diese Initiative entstanden. Ein Film, der die Musik seiner Protagonisten in den Vordergrund rückt und den grausigen Lebensumständen der Asylsuchenden ihre Kunst gegenüberstellt. Ihre Lieder handeln von Krieg und Vertreibung, vom Leben im Asylheim und der großen Sehnsucht nach einer Heimat. Sie wollen die Unsicherheit der Duldung hinter sich lassen, immer in der Angst, in der Nacht abgeholt und abgeschoben zu werden.
Julia Oelkers hat einen Protestfilm gemacht. Klugerweise läßt sie dabei aus, was ein Film ohnehin kaum beschreiben könnte: den Versuch einer Erklärung dessen, was Leben im Krieg bedeutet. Stattdessen zeigt sie miserable Zustände auf und die dadurch verschenkten Möglichkeiten. Das macht wütend. Auch auf das eigene Nichtstun. Doch da können Initiativen wie die Leipziger Arbeitsgemeinschaft „Dezentralisierung: Jetzt“ Abhilfe schaffen. Denn auch in unserer Stadt leben Flüchtlinge in unzumutbaren Umständen.
Die Blickgenauigkeit des Films zeigt sich unter anderem bei der Verleihung einer Medaille an Heinz Ratz durch die Bundesregierung. Auf das große Geschwafel folgt wie üblich das große Fressen. Das reichlich dargebotene Fleisch kann ein Bandmitglied aus Gambia nicht verstehen, denn in seinem Heimatland wird mehr Fisch gegessen, weil das nicht so teuer ist.
D 2013, 85 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen
Genre: Dokumentation, Polit, Musik
Regie: Julia Oelkers
Kinostart: 22.08.13
[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...