Ana hat’s gut: Das Mädel lebt ganz ursprünglich in einer Höhle, gibt sich dort der Malerei hin und springt als Neo-Eva auch gern mal nackend durch die Botanik. Ein entspanntes, zivilisationsfernes Dasein halt, welches sich aber mit Auftauchen der Mäzenin Justine ändert. Diese bringt Ana nach Madrid, in eine Künstlerkommune, zur Förderung des Talents.
Und jetzt hat es Ana nicht mehr so gut. Zwar gelingt es ihr nach wenigen Sekunden, den allseits begehrten Schulschwarm in die Laken zu zerren, was sie sofort mit großer Liebe verwechselt. Doch der Glutäugige verschwindet kommentarlos, und plötzlich vergeht Ana auch sonst das bislang omnipräsente Grinsen, als sie unter Hypnose feststellt, bereits x-mal gelebt zu haben, grausame Tode inklusive. Da wurde sie mal von Geiern gefressen, mal von einem Indianer erschlagen. Seit zwei Jahrtausenden soll das Martyrium schon dauern ...
Was das heißen mag, kann man sich – einige Mühe vorausgesetzt – zwar halbwegs zusammenreimen, aber Fakt bleibt, daß Julio Medem sich noch mehr als in LUCÍA UND DER SEX hier unnötig verquasten Gedankenspielchen hingibt. Bilder wie aus einem Splatterfilm, gemixt mit Ödipus-Motiv, inszenatorischem Ungeschick, Sprüngen durch Zeit und Ort sowie den knospenden Brüsten einer nur bedingt fähigen Hauptdarstellerin, untermalt von pseudointelligenten Worthülsen à la "Das Leben ist voller Widersprüche" (uiuiui!), machen den Psycho-Quark kaum besser. Daß Alberto Iglesias diesmal keinen seiner meditativen Scores beisteuerte, spricht für ihn, die alternativ zu hörenden nervigen Klänge dienen allerdings nicht mal ansatzweise als Ersatz. Und auch das fragwürdige Frauenbild – so bietet Ana ihrem Hypnotiseur zwischendrin beherzt körperlichen Mißbrauch an oder bricht Diskussionen über Politik ab, weil sie vögeln will – stößt bitter auf.
Zu erleben ist final, wie die Leidgeprüfte einem nach Schema F gezeichneten US-Kriegstreiber formschön ins Gesicht kackt und damit wohl sinnbildlich auf Amerika scheißen soll. Schwarz oder Weiß eben, Grau wäre ja schließlich eine Farbe – der prätentiöse Ton dieser Szene steht symptomatisch für das Gesamtdesaster. Ob es da viel hilft, daß die Grande Dame Charlotte Rampling mit jedem Film, jedem Jahr scheinbar immer attraktiver wird?
Originaltitel: CAÓTICA ANA
Spanien 2006, 116 min
Verleih: Prokino
Genre: Drama, Mystery
Darsteller: Manuela Vellés, Charlotte Rampling, Bebe, Asier Newman, Nicolas Cazalé
Stab:
Regie: Julio Medem
Drehbuch: Julio Medem
Kinostart: 27.11.08
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...