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Casa

Eine nicht verpaßte Gelegenheit

Hätte es auf dem letztjährigen DOK Leipzig nicht endlich auch eine Ehrung für den besten animierten Dokumentarfilm gegeben, wäre CASA sicher nur für unbedingt preiswürdig befunden worden. So aber konnte die in Frankreich lebende italienische Regisseurin Daniela de Felice die erstmals verliehene „Goldene Taube“ wirklich in Empfang nehmen. Ein ganzes Genre, das sich zu markanter Eigenständigkeit emporgearbeitet hat, wurde damit gleich mit anerkannt. Verdientermaßen.

CASA besticht durch Poesie und Zurückhaltung in der Form. Ohne den mitunter zweifelhaften Druck beim Gebrauch innovativer Stilmittel baut die Regisseurin ein Kaleidoskop ihrer eigenen Familie, bedient sich damit eines durchaus gängigen Sujets, zumindest für den zweiten Teil des Begriffs „Animadok.“ Ihre Kamera ist dabei, als das familiäre Ferienhaus zum Verkauf angeboten und nach und nach geräumt wird. Doch es geht hier nicht um einen Prozeß, de Felice zeigt nur einen kleinen Ausschnitt davon.

Im Zentrum stehen persönliche Erinnerungen. Während sie bei der Mutter und dem großen Bruder auf Gespräche und wenige Videoaufnahmen zurückgreift, sind ihre eigenen Gedanken im Off-Ton zu hören und in selbstgemalten, kleinformatigen Tusch-Aquarellen zu sehen. Gegen Mitte des Films bewegen sich diese Kunstwerke kurz. Die Aale, von denen als Weihnachtsessen die Rede ist, beginnen zu schwimmen, ein Mädchen streichelt eine Katze. Schnell aber kehrt die Animation wieder in die ursprüngliche Folge starrer Bilder zurück. Auch damit werden Räume frei für Blicke, Gesten und Worte von Mutter und Bruder. La Mamma zeigt Fotos, Schmetterlinge und Muscheln, Domenico seine Muskeln. Vater hat kurz vor seinem Tod noch an den Bizeps des Sohnes gefaßt, um dessen Männlichkeit zu testen. Schließlich soll auch er einmal seine Kinder stolz mit ausgestreckten Armen halten wie Papa. „Ich wünsche mir sehr, daß du einmal Kinder hast“, flüstert Daniela ihrem Bruder in einem der bewegendsten Momente von CASA zu. „Wir sind eine wundervolle Familie“, sagt er.

Und ja, das ist sie wohl – eine wundervolle italienische Familie. Als die Mutter in der letzten realen Einstellung alle kupfernen Pfannen und Backformen von der Wand genommen hat, bleiben schwarze Ränder zurück. Wenn das Haus verkauft und die Wände gestrichen sind, bleibt von den de Felices und diesem Ort auch CASA, das Ergebnis einer nicht verpaßten Gelegenheit.

Originaltitel: CASA

F 2013, 54 min
Verleih: Novanima

Genre: Dokumentation, Animation

Regie: Daniela de Felice

Kinostart: 06.02.14

[ Andreas Körner ]