Originaltitel: FENG LIU YI DAI

China 2024, 111 min
Verleih: REM

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Zhao Tao, Li Zhubin

Regie: Jia Zhang-Ke

Kinostart: 15.05.25

Caught By The Tides

Kino als Zeitkapsel

n Jia Zhang-kes neuem Film kann man sich auf eine faszinierende Zeitreise begeben. Über zwei Dekaden hinweg wurde CAUGHT BY THE TIDES entwickelt. Weniger als ein linearer Erzählfilm als eine lose Sammlung von Material, das über die Jahre produziert und retrospektiv zusammengesetzt wurde. Zwischen 2001 und 2023 nimmt einen der Regisseur von Filmen wie ASCHE IST REINES WEISS mit auf eine Suchbewegung durch sein eigenes Schaffen und ein China im Umbruch.

Das ist vollgepackt mit Referenzen in einem Kontext, der für Außenstehende in der Fremde etwas schwer zu greifen ist, entwickelt aber eine einzigartige filmische Poesie und essayistische Form in der Montage. Industrieräume, Stadtbilder und technische Kommunikationsmittel verändern sich und mittendrin zwei Liebende, die einander verlieren und im Laufe der Jahre versuchen, sich wiederzufinden. Menschen reisen umher und verschmelzen sinnbildlich mit vorbeiziehenden Landschaften.

CAUGHT BY THE TIDES wird nicht nur zum historischen Porträt und zur Ortsbegehung, sondern auch zu einem Dokument sich wandelnder filmischer Ästhetik. Die rauschenden und tanzenden Pixel von einst sind der hochauflösenden Schärfe gewichen, und der Mensch trifft inzwischen seinen künstlichen Konterpart. Und doch hat er nicht bedeutend mehr Klarsicht und Überblick erlernt. Nicht weniger Überforderung erfährt er in den Wirrungen der Zeit. An Stelle der getippten Textnachrichten, die, einem Stummfilm gleich, die Sequenzen als Zwischentitel strukturieren, tritt irgendwann die KI. Nur, wie soll man mit dem Roboter sprechen? „Ich muß arbeiten“, sagt auch er nur mantraartig und versucht, der Zweisamkeit zu entkommen.

[ Janick Nolting ]