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Cerro Torre

„Wetten, dass ...“ oder lieber gleich zum Mars

Er ist 3000 Meter, seine Steilwände sind aus Granit. Der Cerro Torre ist eine Herausforderung für jeden Alpinisten aus vor allem einen Grund: Er provoziert als Unmöglichkeit. Ein Turmberg, der derart in die patagonische Landschaft im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile gekantet ist, daß er tatsächlich wie ein „Schrei aus Stein“ anmuten mag. SCHREI AUS STEIN heißt dann auch der Film, den Werner Herzog diesem Berg 1991 widmete. Damals, in der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts, wo so ein Film schon seltsam anachronistisch wirkte, wie aus Zeit und Zeitgeist gefallen, in seiner Art Pathos und Kontemplation und seinem Herzog-Wahnsinn auch, mit welchem der Regisseur seinem Hunger nach dem Grenzgang-Bild nachjagte.

Wenn uns auf der Erde die Bilder ausgingen, dann müsse man eben zum Mars fliegen, sprach Herzog mal in die Kamera Wim Wenders’ (in VON KLEIDERN UND LEUTEN), und das Tolle an Herzog war (ist?), daß er nie zum Mars mußte, weil er immer noch Erdenlandschaften fand, die es auch machten. So eine Landschaft sieht man nun auch in CERRO TORRE. Oder nein, falsch. Denn eigentlich sieht man sie eben nicht. Der Film des Österreichers Thomas Dirnhofer begleitet den medial oft und gern als „Kletterwunderkind“ apostrophierten David Lama beim Versuch, den Cerro Torre als erster Mensch per Freiklettern zu erklimmen. Also nur mit Händen und Füßen; Seil und Haken nicht als Hilfs-, sondern lediglich als Sicherungsmittel verwendend. Bei einer Granitwand wie der des Cerro Torre kann man da tatsächlich sagen: keine Chance.

Natürlich erzählt der Film dann, wie „keiner Chance“ getrotzt wird, und nach Rückschlägen der Triumph obsiegt. Allerdings zeigt sich das hier alles auf eine Art, die so trostlos ist, daß man sich aus dem Kino sofort zum Mars wünscht. CERRO TORRE offeriert, wie sehr das Sehen, das Bilderentdecken und -zeigen inzwischen verloren oder verwässert sind, durch eine Ästhetik des schnieke Sportiven, ob der alles nach abgefilmtem „Wetten, dass ...“-Event aussieht. Das passend ausgiebige Product Placement des Produktionsgeldgebers ist da nur noch ein Symptom unter vielen. Red Bull Is Everywhere. Wahrscheinlich sogar schon auf dem Mars.

Österreich/GB/USA 2013, 101 min
FSK 0
Verleih: Red Bull Media House

Genre: Dokumentation

Regie: Thomas Dirnhofer

Kinostart: 13.03.14

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.