Die winterliche Metropole Peking verströmt eine kalte Atmosphäre, die Sonne ist blaß, Grau dominiert die Szenen, und es herrscht fürchterlicher Lärm - Straßenlärm. An diesem Bild der Großstadt hält Regisseur Liu Hao in seinem ersten Langfilm fest. Seine Protagonisten plaziert er mitten hinein in diese Unwirtlichkeit. Chen Mo ist gerade auf der Flucht vor der Polizei, als er Meiting im Laufen seine Kiste geklauter Blumen in den Arm drückt - ein Zufall, eine unromantische Begegnung, die sich nicht so recht als ein Beginn darstellen will. Und doch sollen sich die Beiden wieder begegnen. Meiting, die in einem kleinen Friseursalon arbeitet, nimmt die Blumen mit, doch ihr Chef zwingt sie, diese aus dem Laden zu entfernen. Als Chen Mo am nächsten Tag auftaucht, um seine Blumen abzuholen, sind sie fort. Meiting bietet ihm zum Ausgleich eine kostenlose Kopfmassage an. Der junge Mann kommt auch am nächsten Tag wieder und wird Zeuge, wie Meiting von ihrem Chef schikaniert wird. Als er sich einmischt, verliert sie ihre Arbeit und damit auch die Wohnung, einen kleinen Verschlag hinter dem Salon.
Auch Chen Mos Bleibe ist nicht mehr als ein schäbiges Zimmerchen, aber er nimmt die junge Frau mit sich, und sie versuchen die Tage eines fröhlichen Familienlebens wieder heraufzubeschwören, die sie vermissen. Anstatt einer Romanze, entwickeln sie gegenseitig eine Fürsorge, die darin gipfelt, daß beide spielerisch Elternfunktionen füreinander übernehmen, um Einsamkeit und Fremdheit zu entfliehen. Ihre Wege aber trennen sich wieder, und als Meiting schließlich ihre Liebe zu Chen Mo erkennt und zu ihm zurückkehren will, findet sie ihn sterbend.
Sehr geradlinig erzählt Liu Hao die Geschichte seiner Liebenden. Ausschließlich an Originalschauplätzen, ohne künstliches Licht und mit Direktton gedreht, illustriert der Film die Situation der Beiden sehr genau. Dabei geht es nicht nur um Meitings Erkenntnis, daß erst der Verlust das Verstehen mit sich bringt. Gleichzeitig zeichnet Liu Hao ein Bild vom Leben der Tagelöhner in Peking. CHEN MO UND MEITING ist ob seiner dokumentarischen Kraft auch als Kommentar auf die gesellschaftlichen Folgen der Kulturrevolution zu begreifen.
Originaltitel: CHEN MO HE MEITING
China/D 2002, 78 min
Verleih: Pegasos
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Wang Lingbo, Du Huanan
Regie: Liu Hao
Kinostart: 13.03.03
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.