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Chéri

Die Leiden der ach so alten L.

Bei allen Kinogöttern! Das GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN-Traumteam aus Regisseur Stephen Frears, Autor Christopher Hampton und der tragisch liebenden Michelle Pfeiffer ist hier wieder vereint! Ein garantiertes Meisterwerk. Sollte man zumindest meinen, denn die Realität sieht ein wenig anders aus, obgleich erneut fatale Anziehung im Fokus steht. Konkret geht es um Léa, leicht angegilbte Ex-Kurtisane, welche Gefühle zum jüngeren Chéri entwickelt. Was dessen Mutter Madame Peloux, ebenfalls ehemalige Hure und so verbittert wie geldgierig, unterbinden will, weshalb das Pärchen nun von Intrigen und, um mit dem Positiven zu beginnen, erfrischenden Wortgefechten der Damen beherrscht wird.

Pfeiffer porträtiert Léa dabei als gleichsam kontrollierte und erratische Person, und selbst wenn keine andere Schauspielerin so hübsch verloren am Fenster zu stehen vermag, übertreibt sie mal die eine, dann die andere Facette. Was auch daran liegt, daß sich Hamptons Skript zunehmend in alberner Dramatik oder nervigen Anspielungen auf ihr fortgeschrittenes Alter ergeht. Da mutiert selbst ein an Originalität kaum zu schlagender Score zum selbstreferentiellen Klimperbrei. Besser ergeht es Kathy Bates, die als Madame Peloux mit vulgärem Spiel inklusive Hustenanfällen und Schlachtschiff-Dekolleté jede Szene stiehlt.

Aber auch sie muß im Schweinsgalopp durch die Geschichte hoppeln, was dieser nicht gut bekommt: Léa küßt Chéri – zack! Man ist wahnsinnig verliebt. Ein Schwarzbild – wusch! Spontan vergingen sechs Jahre. Und so weiter. Nur nicht trödeln! Ganz daneben schließlich die Besetzung der männlichen Hauptrolle mit Rupert Friend, einem Bürschlein ohne darstellerische Kraft oder Ausstrahlung, bei dem man sich permanent fragt, was Léa an ihm reizen soll. Zum Schluß zitieren Frears und Hampton noch die finale GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN-Szene, wobei Pfeiffer ihr Talent beweist, nicht bloß wehmütig aus Fenstern, sondern auch betrübt in Spiegel zu schauen. Weil ein Off-Sprecher – im Original Frears selbst – nun allerdings seinen Kommentar dazugibt, verpufft die Wirkung dessen ohne emotionale Rückstände.

Letztlich bleibt ein gefälliges, teils witziges, nett anzusehendes Nahezu-Nichts, hinter dessen schicker Fassade keine Leidenschaft lodert, sondern nur ein warmes Lüftchen weht. Die Götter müssen nicht unbedingt verrückt, aber reichlich desinteressiert gewesen sein ...

Originaltitel: CHÉRI

GB/D/F 2009, 93 min
FSK 6
Verleih: Prokino

Genre: Liebe, Literaturverfilmung, Tragikomödie

Darsteller: Michelle Pfeiffer, Kathy Bates, Rupert Friend, Felicity Jones

Regie: Stephen Frears

Kinostart: 27.08.09

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...