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Chico & Rita

Wenn Kuba-Jazz und Animation zusammenkommen

Wäre CHICO & RITA ein vierrädriger Oldtimer, würde er als Liebhaberstück wohl Höchstpreise erzielen. Er sähe aus wie einer der bunten Schlitten, die im Havanna von heute noch zuhauf herumfahren. Man hat sich an sie gewöhnt, ihr markantes Äußeres ist alles andere als innovativ, doch die Aura, die sie versprühen, spricht eigene Bände.

CHICO & RITA war in diesem Jahr für den Animations-OSCAR nominiert – und hat ihn nicht bekommen. Was überhaupt kein Verlust ist. Denn seinen Siegeszug hat er in den weltweiten Kinosälen längst erlebt, und auch hierzulande kann er eine große Interessensgruppe erreichen. Beispielsweise die Freunde des klassischen Zeichentrickfilms, die sich mit ihrer Vorliebe nicht unterkriegen lassen – es muß ja nicht immer die japanische Koryphäe Hayao Miyazaki sein. Auch die Anhänger der speziellen Erwachsenen-Animation wurden mit WALTZ WITH BASHIR, PERSEPOLIS und FILM NOIR angefüttert und harren seitdem geduldig. Schließlich wären da die Viel-Tänzer und Nur-Hörer, denen beim Erklingen kubanischen Jazz’ die Augen feucht werden. Wim Wenders hatte sie mit seinem BUENA VISTA SOCIAL CLUB erweckt, die schwer betagten Musiker daraus gaben ihnen später live den Rest.

Daß der spanische Regisseur Fernando Trueba mit seinem Dok-Film CALLE 54 fast parallel einige Künstler des Afro Cuban Jazz wiederentdeckte, weiß nur der engste Zirkel. Ohne dieses Werk und die Begegnung mit dem heute 92jährigen Bebo Valdés gäbe es wohl CHICO & RITA nicht. Valdés’ Leben inspirierte Trueba zu diesem sinnlichen wie melancholischen Trick-Spiel. Trueba verband sich dafür mit dem großartigen Illustrator, Grafiker und Designer Javier Mariscal. Gemeinsam tauchen sie ab in eine große Lovestory und mit ihr in die Welt des kubanischen Jazz’, ins Havanna der auslaufenden 40er, nach New York und Las Vegas.

Chico und Rita sind zwei junge Menschen, denen Musik die Pulsfrequenz diktiert. Chico spielt Klavier, Rita singt. Als sie sich ineinander verlieben, sind sie Königskinder, finden sich kurz, verlieren sich in Zeiten und Orten. Erst 60 Jahre später schließt sich ein Kreis. Bis dahin „lüftet“ sich dieser wunderbar milde, stilistisch hervorragend gezeichnete und animierte Film aus, labt sich an einer – man mag sie schlicht nennen – gefühligen Liebesgeschichte und an einer schweren Dosis Kuba-Kunst.

Originaltitel: CHICO & RITA

S/GB 2010, 93 min
FSK 0
Verleih: Kool

Genre: Animation, Musik, Liebe

Regie: Fernando Trueba, Javier Mariscal

Kinostart: 30.08.12

[ Andreas Körner ]