Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. In den vielen zur Inspiration des geneigten Publikums eingeflochtenen Botschaften dieses Mammutprojekts kann sicher auch diese Volksweisheit destilliert werden. Daß Tom Tykwers Kollaboration mit den Wachowskis zur Adaption von David Mitchells Roman ein Wagnis ist, und dazu ein überaus ambitioniertes, steht außer Frage. Gleich sechs Geschichten werden erzählt, die eine Zeitspanne von fast 500 Jahren abdecken und unterschiedlichste Protagonisten einführen. Und das alles als Kino im Blockbuster-Format ohne die Schirmherrschaft eines Hollywood-Studios. Gewagt wurde also viel, bleibt die Frage, ob das Ganze als Gewinn zu werten ist.
Der komplexe Inhalt des Drei-Stunden-Epos’ kann hier nur angerissen werden: Im Jahr 1849 lernt ein junger Anwalt auf einer Reise die Schrecken des Sklavenhandels kennen. Im England des Jahres 1936 wird einem jungen Komponisten seine verbotene Liebe zum Verhängnis und gefährdet sein Meisterwerk. Eine Journalistin stößt auf unlautere Machenschaften eines Atomkonzerns und schwebt fortan in Lebensgefahr. In unserer Gegenwart landet ein alternder Verleger unfreiwillig in einem geschlossenen Pflegeheim und wagt den Ausbruch. 2144: Ein weiblicher Klon wandelt sich von einer hörigen Kellnerin zur Anführerin einer Revolution. Und schließlich muß ein Ziegenhirte im postapokalyptischen Jahr 2346 sich gegen seinen inneren Teufel wehren und den Mut finden, zu einer neuen Welt aufzubrechen.
Was den Regisseuren hier erstaunlich gut gelingt, ist das Jonglieren der vielen Erzählstränge, wobei sie es auch noch schaffen, den Spagat zwischen komischen und hochdramatischen Momenten höchst versierst hinzubekommen. Daß der Mensch mehr ist als sein Geschlecht, seine Herkunft oder sexuelle Ausrichtung, und daß seine Seele fortlebt, soll im Film auch dadurch verdeutlicht sein, indem alle Darsteller in verschiedenen Rollen auftreten. Trotz hervorragender Maske funktioniert dieses Prinzip leider nicht immer und gerät des Öfteren im Trubel der Ereignisse zur unwillkommenen Ablenkung.
Dennoch: Das Wagnis ist durchaus als Gewinn zu werten. So prächtig und erzählerisch vielfältig, so wagemutig und dennoch standsicher kommt Kino dieser Größenordnung selten daher. Ob CLOUD ATLAS nun gleich als Meilenstein für die Ewigkeit gelten muß – keine Ahnung! Für das Kinojahr 2012 ist der Film die vielleicht spannendste Entdeckung.
Originaltitel: CLOUD ATLAS
D/USA 2012, 163 min
FSK 12
Verleih: X Verleih
Genre: Episodenfilm, Drama, Literaturverfilmung
Darsteller: Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Hugh Grant, Ben Wishaw, Jim Sturgess
Regie: Tom Tykwer, Lana & Andy Wachowski
Kinostart: 15.11.12
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...