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Coco Chanel & Igor Stravinsky

Frühlingsweihe und Winterkühle

Unter dem Vorspann wölbt sich eine digital animierte Ornamenttapete, verliert sich im Floralen und kehrt nach Belieben zurück zur Geometrie. Das Vexierspiel ist Programm – eine Augenübung, die zur Versenkung einlädt, ohne das Bild hinter dem Muster, den Raum unter der Oberfläche je vollständig preiszugeben. Aber hält das Interesse an einer so kunstvoll verborgenen Tiefe? Und gibt es die überhaupt? Das sind entscheidende Fragen, wenn sich ein Film zweier Ikonen des 20. Jahrhunderts annimmt, die, abgeschmirgelt unter dem analytischen Blick von Kunst- und Kulturgeschichte, lediglich Spiegel der großen Umbrüche ihrer Zeit zu sein scheinen.

Die Moderevolutionärin par excellence, die dem Kleinen Schwarzen zu großem Ruhm verhalf. Der Musikerneuerer, dessen Kompositionen das Publikum bis heute herauszufordern vermögen. 1913 in Paris, natürlich an einem Kunstort wie dem Theater, berühren sich ihre Schicksale anläßlich der skandalträchtigen Uraufführung von „Le sacre du printemps“ zum ersten Mal. Sieben Jahre später bietet Chanel, inzwischen etablierte, von allen Konventionen freie Modeschöpferin und Geschäftsfrau, dem russischen Revolutionsflüchtling samt Frau und Kindern Obdach in ihrer Pariser Vorstadtvilla.

Auf der Basis des Romans von Chris Greenhalgh und nachdem Regisseur William Friedkin vorzeitig von Bord gegangen ist, segelt nun der Niederländer Jan Kounen durch die wechselhaften Meere der Leidenschaft, die sich hier auftun. Eher der Schönheit denn der psychologischen Differenziertheit verpflichtet, fährt er durch emotionale Eiswüsten, entlang an den Klippen zweier schroffer Persönlichkeiten, die ihre Ansprüche auf Selbstbestimmtheit weder in der Kunst noch im Leben aufgeben wollen. Und sollte Kounen dem Kühlen mit seinen allzu artifiziell gezeichneten Filmfiguren doch kein gänzlich überzeugendes Doppelporträt, kein bedingungslos glaubwürdiges Erotikdrama gelungen sein – seine Bildwelt ist gleichwohl wasserdicht. Mit Eleganz, sicherem Geschmack und einer wendigen Kamera behauptet sie sich gegen den allgegenwärtigen Vitrinenmief im Historienkino, wenn man auch das Gefühl des Schaufensterbummelns nie ganz los wird.

Aber wie leicht läßt sich der Mangel an Glut und Blut vergessen, durchschreitet man dieses „Häuschen“ in Garches, ein begehbarer Art-Déco-Prachtband, in den sich die edlen Wangenknochenpaare von Anna Mouglalis und Mads Mikkelsen einfügen wie Designobjekte …

Originaltitel: COCO CHANEL & IGOR STRAVINSKY

F 2009, 120 min
FSK 6
Verleih: Pa Co

Genre: Biographie, Literaturverfilmung, Drama

Darsteller: Anna Mouglalis, Mads Mikkelsen

Regie: Jan Kounen

Kinostart: 15.04.10

[ Sylvia Görke ]