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Coffee And Cigarettes

Jim Jarmuschs fremder Planet Amerika

Fast zehn Jahre ist es her, da versammelte Wayne Wang in BLUE IN THE FACE eine Handvoll Lebenskünstler und Stadtneurotiker im Tabakladen von Auggie in Brooklyn und ließ sie eine Menge lustigen blauen Dunst ablassen. Jim Jarmusch, Darling und Spiritus Rector des amerikanischen Independent-Kinos, war auch dabei. Zunächst spricht einiges dafür, daß Jarmusch 1995 nach Ende der Dreharbeiten in Auggies Laden als Gebrauchsphilosoph und Zigarettenvorkoster hängengeblieben ist.

Erstens hat er seit damals nur noch zwei Filme gemacht. Zweitens heißt sein neuer Film COFFEE AND CIGARETTES. Auch hier wird viel geredet, wobei allerlei komische Gestalten die Leinwand vollpaffen. Doch bei genauerem Betrachten muß die These fallen gelassen werden. Jim Jarmusch war in den letzten Jahren offenbar viel auf Reisen. Er hat quer durch die Staaten elf verschiedene Tische aufgebaut in elf Kneipen, Bars und Lounges und im kontrastreichen Schwarz/Weiß, beobachtet, wie grundverschiedene Menschen versuchen, an diesen Tischen miteinander klarzukommen: Kellner Bill Murray trinkt Kaffee mit dem Wu-Tang Clan, Elvis-Presley-Fan Steve Buscemi textet die Geschwister von Spike Lee zu, Iggy Pop trifft und flüchtet vor Tom Waits. COFFEE AND CIGARETTES hat den Jim Jarmusch-Touch. Er ist cool und lakonisch. Man kann hier viel schmunzeln und selten laut lachen. Manche Szenen funkeln wie Diamanten, andere schimmern eher schwach.

BLUE IN THE FACE war ein sprunghaft lebendig geschnittener, schräger Heimat- und Wohlfühlfilm über das hier und jetzt in Brooklyn. Dies hier dagegen ist ein eher bedächtiger Dialogfilm ohne Heimat, dafür mit sorgsam in Szene gesetzten Café-Tisch-Stilleben als Kulisse für nervöse Durchreisende und ästhetische Klammer dieses Ensemble-Films. Die Menschen in diesem Film fühlen sich die meiste Zeit unwohl und peinlich. Sie reden vor allem aus Angst vor dem Schweigen, und darum belauern sie sich über die Gräben des schon immer Ungesagten hinweg und halten sich dabei an ihren Marlboros fest. Aus diesem amerikanischen Konversationskäfig können nur die Narren ausbrechen oder die Alten, gelassen, weise, mit einem Bein im Grab.

Und so ist dieser Film immer dann am stärksten, wenn zwischen dem vertrauten Planeten Brooklyn und dem fremden Planeten Amerika nur ein Kaffeeschluck, ein Zigarettenzug liegt.

[ Christian Seichter ]