Noch keine Bewertung

Comandante

Beim Gipfeltreffen der Egomanen

Wir haben: Zwei weltbekannte Selbstdarsteller. Drei Tage, die sie miteinander verbrachten. Einen Film als Ergebnis. Und circa sieben Euro, um ihn sich anzuschauen? Hängt davon ab, was man erwartet.

Fidel Castro, einer der schillerndsten Akrobaten im Polit-Zirkus, gewährte Oliver Stone, dem Enfant terrible unter Amerikas Regisseuren, ein insgesamt 30 Stunden dauerndes Interview. Nun hatte Stone bekanntlich schon immer ein Faible für politische Themen, also konnte man durchaus hoffen, daß er Kubas Führer richtig auf den Zahn fühlt. Doch irgendwie scheint ihm eher daran gelegen gewesen zu sein, NATURAL BORN KILLERS als Dokumentation erneut zu drehen, mit hektischer Wackelkamera, schnellen Schnitten und eingestreutem Archivmaterial. Dazu ertönt "Don’t Cry For Me Argentina" quasi in Endlosschleife. Was ja alles noch erträglich wäre, wenn Stone in Castro nicht einen Gesprächspartner gehabt hätte, welcher sich selbst immer wieder kokett ins rechte Licht rückt. So darf man tollen Geständnissen lauschen: Filmfan Fidel hat TITANIC leider nur auf Video gesehen, verehrt Sophia Loren, kommt nicht gegen Boris Jelzins Trinkfestigkeit an und hält sich für keinen sonderlich guten Vater, obwohl er seine Kinder trotzdem ganz doll liebt. Zwischendurch besuchen die zwei Quasi-Kumpel noch eine Schule und diskutieren über wichtige Themen wie Umweltzerstörung. Oder besser: sind sich total einig. Eben ein richtig Netter, der Fidel, wie er den Olli in die Seite knufft. Zwar lehnt sich Stone ein paar Mal tatsächlich weit aus dem Fenster und stellt wirklich interessante Fragen ("Wie geht es in Kuba nach Castro weiter?"), eine Antwort bekommt er allerdings nie. Und dann wird eben fix zurückgeschwenkt auf den privaten Sektor.

Nachdem Michael Moore mit FAHRENHEIT 9/11 polemischen Versatzstücken endgültig den Weg ins Doku-Genre freigeschaufelt hat, ist solch relative Subtilität zwar wohltuend – aber der wahre Informationsgehalt dieser nur teilweise nachhakenden Plauderei liegt letztlich in all dem, was Castro eben nicht sagt. Ob das wirklich reicht, um ihn zu entmystifizieren und als Politiker zu porträtieren, möge der Betrachter selbst entscheiden.

Originaltitel: COMANDANTE

USA/Spanien 2003, 99 min
Verleih: Alamode

Genre: Dokumentation, Polit

Regie: Oliver Stone

Kinostart: 17.02.05

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...