Hut, Stock, Schirm, Konversation und schlecht gelüftete Kemenaten – fertig ist ein Generationenporträt im historischen Kostüm, in dem sich der schwermütige Start-Up-Dandy von heute wiedererkennen darf. Dachte Sylvie Verheyde, krempelte die Ärmel hoch und schob einen Befindlichkeitsroman der französischen Romantik auf die Leinwand. Der Autor Alfred de Musset, hierzulande wenig gelesener Weltschmerzpoet und Gelegenheitsprosaist der 1830er-Jahre, schrieb sich das Leiden an der Zeit und die zerbrochene Liebe zu George Sand von der Seele, stellvertretend durchfühlt vom jungen Adeligen Octave.
„Sich selbst und seiner Umwelt problematisch“, heißt es über diesen Heldentypus so trocken wie zutreffend. Denn wer wie Octave, Pariser Milchbart aus wohlhabendem Hause, keine Sorgen hat, der macht sich welche. Da hat er nun, ach, ein bißchen Philosophie, Juristerei und Medizin studiert, versucht sich hier als Literat und da als Frauenverschleißer, schnuppert am libertären Zeitgeist und kann sich doch der großen Fatigue seiner Epoche nicht entziehen. Frisch betrogen von der puppenhaft-makellosen Elise und satanisch befeuert vom Busenfreund Desgenais, zweifelt der Jüngling, jawohl, an der Existenz der Liebe. Die Begegnung mit der Witwe Brigitte, einem herben, aber anziehenden Geschöpf ohne Allüren, verspricht Heilung von der Gemütsmaläse. Aber die Zerrissenheit zwischen romantischer Verklärung und notorischer Enttäuschung bleibt.
Wie ihre narzißtische Hauptfigur leidet auch die Regisseurin an fehlendem Antrieb, Liederlichkeit und struktureller Zerstreutheit. Reichlich ziellos, nachlässig in Details und großzügig mit der Geduld ihrer Zuschauer trudelt Verheyde dem mürbemachenden Liebes- und Bekenntnisreigen in irgendwelche Kulissenecken hinterher, läßt sich von Octavens Launen durch Laken rollen oder in altkluge Tischgespräche quasseln. Gefühlslagen wechseln so anlaß- wie ansatzlos.
Daß sich Heroin-Chic-Ikone Pete Doherty, der Zwischen-zwei-Entzügen-Mann des britischen Neorock, durch seinen, äh, exzentrischen Lebensstil für die Hauptrolle empfahl, ist noch einigermaßen verständlich. Doch sein Ausflug ins Filmgeschäft wird genau diesen faden Beigeschmack nie los: ein Gastauftritt, als sei er zufällig in die Szene gestolpert und bliebe nur, um sich bei Lars-von-Trier-Muse Charlotte Gainsbourg ein wenig Charisma zu leihen. Und sich erzählen zu lassen, wie anderswo Filmkunst mit Melancholie gehärtet wurde.
Originaltitel: CONFESSION D’UN ENFANT DU SIÈCLE
F/D/GB 2012, 115 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm
Genre: Drama, Liebe, Literaturverfilmung
Darsteller: Pete Doherty, Charlotte Gainsbourg, August Diehl, Lily Cole
Regie: Sylvie Verheyde
Kinostart: 20.06.13
[ Sylvia Görke ]