Originaltitel: CORSAGE
Österreich/Luxemburg/D/F 2022, 114 min
FSK 12
Verleih: Alamode
Genre: Drama, Biographie
Darsteller: Vicky Krieps, Florian Teichtmeister, Katharina Lorenz, Manuel Rubey
Regie: Marie Kreutzer
Kinostart: 07.07.22
„Hauptsache, wir hinterlassen ein hübsches Bild“, scherzt Elisabeth, Kaiserin von Österreich-Ungarn, nach ihrem 40. Geburtstag, mit dem der Film beginnt. Das klingt wie ein Kommentar auf die berühmte SISSI-Trilogie mit Romy Schneider, die das Bild Elisabeths mehr geprägt hat als alle Geschichtsbücher zusammen. Werden wir Elisabeth noch einmal anders sehen können? Und was bedeutet der aktuelle Sisi-Boom, mit der RTL-Serie „Sisi“ und der Netflix-Serie „The Empress“? Ist das mehr als das übliche Aufbrühen von Bewährtem? Marie Kreutzers feministischer und – dies gleich vorweg – absolut großartiger Kinofilm CORSAGE läßt sich von Schneider und Co. kein bißchen beirren, schon deshalb, weil er da anfängt, wo SISSI schon lange zu Ende ist. Der Scherz über das hübsche Bild ist ein bitterer, denn es steckt Elisabeths ganzes Leiden darin. Es ist das Bild, das sie von sich geschaffen hat, um am Hofe zu bestehen: Sisi und ihre Schönheit, ihre Wespentaille und ihr zum Kranz aufgestecktes Haar. Doch sie hat aufgehört, sich abbilden zu lassen. Einen jungen Maler, der es noch einmal versucht, weist sie an, sich doch einfach den ganzen Krempel aus dem Schloß zu holen und das abzumalen. In Wien lebt sie bereits wie in einem Museum. Ihr Mann Franz Joseph läßt ihr zwar persönliche Freiheiten, ihre Leidenschaften wie das Reiten und Fechten, gar ihre Liebschaften, solange sie nicht auffliegen. Doch sie ist da, um zu repräsentieren.
Vicky Krieps spielt eine widersprüchliche und existentiell leidende Elisabeth, die sich nicht länger ersticken lassen will. Sie spielt sie mit Zwischentönen und unerwartet viel Humor. Etwa, wenn Sisi ihrem Cousin Ludwig II. vorführt, wie sie in der Öffentlichkeit einen Ohnmachtsanfall simuliert hat. Immer mehr höfische Sabotage-Akte ersinnt sie, Akte der Selbstbefreiung. Kreutzer, die auch das Drehbuch geschrieben hat, hat sich dabei durchaus an überliefertem Wissen über die historische Elisabeth orientiert, läßt sich aber nicht ins Korsett der Fakten einschnüren. Ihr Film lebt von seinen kreativen Freiheiten. Da wird am Lagerfeuer auch schon mal „As Tears Go By“ von den Rolling Stones als folkloristische Einlage geboten.
Ob Elisabeth nun hinter ihrem Bild verschwindet oder sich davon befreit, bleibt interpretierbar. Auf jeden Fall ist der Film ein erzählerisches, intellektuelles und ästhetisches Vergnügen.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...