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Cowgirl

Die wundersame Wandlung der Paula P.

Johanna Paulsen, genannt Paula, lebt in Struvensiel. Dieser Vorort liegt zwar nicht irgendwo mitten in der Prärie, ist aber mindestens genauso öde, womit sich unsere Heldin zwangsweise arrangiert hat: als Teilzeit-Bibliothekarin und Ehefrau eines Mega-Spießers. Paulas verschollen geglaubter Rest Rebellentum erwacht indes, als sie im Rahmen des 10jährigen Klassentreffens Max wiedersieht, ihre erste große (leider unerwiderte) Liebe. Der Kerl ist immer noch super süß, großkotzig, verlogen und egoistisch. Ergo ein Traummann. Was spricht also dagegen, ganz spontan die Struvensieler Zelte abzubrechen und Max nach Hamburg zu folgen? Gesagt, getan.

Wenig später bemerkt Paula nicht nur, daß Max tief in die Unterwelt abgerutscht ist, sondern killt auch unbeabsichtigt den lokalen Gangsterboß, dessen Söhne sich nun racheschnaubend an ihre Fersen heften. Gleiches tut der korrupte Polizist Krahl, was in Verfolgungsjagden, Todessprüngen, eben Kampf ums nackte Überleben resultiert – das Mauerblümchen mausert sich ganz sacht zum schlagkräftigen Superweib ...

Es scheint für deutsche Verhältnisse schon grandios gedacht, einfach einen Groschenroman auf die Leinwand zu werfen, was teilweise tatsächlich hervorragend funktioniert. Völlig überhöhte Figuren, absurde Situationen, knallige Dialoge – weg von intellektuellem Habitus und Logik, hin zur bewußt simplen Unterhaltung. Auch die Darsteller hatten wohl eine richtig gute Zeit und baden geradezu in purer Spielfreude.

Schade bloß, daß Regisseur Schlichter diesem Rezept nicht wirklich vertraut, weswegen er sich immer wieder in Reminiszenzen (man kann es auch "Kopien" nennen) flüchtet. Beispielsweise wurden einige visuelle Spielereien bis hin zum Bildaufbau 1:1 aus DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE entnommen. Und das unerträglich schmalzige Gutmenschen-Getue im Showdown ist dann doch wieder ebenso typisch teutonisch wie unpassend.

Um erinnerungswürdig durch die Filmgeschichte zu reiten, müßte COWGIRL Paula ungeachtet aller Sympathie für die Protagonisten also ein wenig mehr eigenen Stil und Mut entwickeln. Vielleicht in der möglichen Fortsetzung?

D 2004, 84 min
Verleih: 3L

Genre: Komödie

Darsteller: Alexandra Maria Lara, Wotan Wilke Möhring, Peter Lohmeyer, Gottfried John, Ralf Richter

Regie: Mark Schlichter

Kinostart: 09.12.04

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...