Originaltitel: CRESCENDO
Israel/Südtirol 2019, 102 min
FSK 6
Verleih: Camino
Genre: Drama, Musik
Darsteller: Sabrina Amali, Daniel Donskoy, Peter Simonischek, Bibiana Beglau, Mehdi Meskar
Regie: Dror Zahavi
Kinostart: 16.01.20
Westjordanland. Es ist heiß und trocken, ein alter Mann in weißem Gewand sitzt auf der Straße und guckt traurig in die Ferne. Es ist Laylas Urgroßvater. Diese Szene wird die junge Frau später anderen Palästinensern, aber auch Juden so erklären, daß er nicht sterben kann, weil er noch immer den Schlüssel zu seinem Elternhaus in der Tasche hat, aus dem er vor 70 Jahren vertrieben wurde, und in das er nicht zurückkehren kann.
Es ist einer der großen Konflikte dieser Welt, den der israelische, seit vielen Jahren in Berlin lebende Regisseur Dror Zahavi hier in den Mittelpunkt rückt: der Streit zwischen Juden und Arabern. Dafür hat er sich eigentlich eine Vision der Versöhnung ausgesucht. Denn Layla ist mit anderen Palästinensern und Israelis auf Konzertprobenreise in Südtirol. Junge Leute beider verfeindeter Seiten stellen ein Orchester, was ein Konzert zu Friedensverhandlungen im Nahen Osten geben soll. Das Ziel: Annäherung. Doch die Hindernisse sind erwartungsgemäß hoch. Die politische Vergangenheit und Gegenwart stecken so tief in den Knochen der jungen Leute, daß sie sich nicht vorbehaltslos begegnen können. Alle haben ihre eigenen Geschichten im Gepäck. Sie sind Nachkommen von Holocaust-Überlebenden, Opfer der Unabhängigkeitskriege und Nachkommen deutscher Nazi-Größen.
Bei so viel schmerzhafter Vergangenheit braucht es viel Einfühlungsvermögen. Also probt der weltberühmte Dirigent Eduard Sporck, dessen überzeugten Nazi-Eltern die Flucht nach dem Krieg nicht gelang, mit den jungen Leuten nicht nur Dvorák. Er ermutigt sie in zum Teil therapieartigen Sitzungen, sich mit der Situation und den Lebenswelten der anderen zu beschäftigen. Das ist spannend und schön anzusehen, dennoch wirken manche Konfliktszenen aufgesetzt. Schon bei den ersten Proben in Tel Aviv bricht ein wildes Gerangel aus, als sich die Musiker für kurze Zeit selbst überlassen sind. Die Idee, zwei verfeindete Gruppen zusammenzuführen, indem sie gemeinsam musizieren, wirkt manchmal statisch. Der Blick ist zum Teil zu distanziert. Allein eine zarte Liebesgeschichte bringt echte Gefühle ins Spiel, und am Ende setzt Zahavi seiner eigenen Utopie Grenzen.
Das mag vielleicht realistisch sein, dem Film allerdings hätte mehr Mut nicht geschadet. Vielleicht muß man den Frieden – so wie die Konflikte – spüren, um ihm im eigenen Erwartungshorizont einen Platz zu geben.
[ Claudia Euen ]