An einer privaten High School irgendwo in Amerika geht das Leben seinen Gang: Man lernt, feiert, langweilt sich zu Tode. Als aber eine Schülerin erschossen wird, sehen einige der versnobten Jugendlichen die Chance, etwas Abwechslung in ihren öden Alltag zu bringen. So erfindet man gemeinschaftlich den Serienkiller "Wolf", schreibt ihm obigen Mord zu und kündigt per E-Mail weitere Bluttaten an. Ein wackerer Dozent kommt hinter das Geheimnis und warnt vor den Risiken, welche das sensationshungrige Grüppchen allerdings als kalkulierbar abtut. Wie es die cineastischen Regeln aber erfordern, verschwindet plötzlich ein Mitglied des beeindruckend kreativen Bundes, und plötzlich müssen die anderen einsehen, daß tatsächlich ein Killer über das Gelände schleicht.
Zugegeben, diese kurze Inhaltsangabe klingt wie 08/15-Teenie-Horror. Tatsächlich folgt CRY WOLF anfangs auch strikt den bekannten Pfaden – allerdings bloß, um sie baldigst zu verlassen. Was nämlich Regisseur Jeff Wadlow hier lustvoll zelebriert, ist quasi eine kleine Revolution im Slasher-Genre: Die Handlung schlägt Haken wie ein Hase, unsere potentiellen Opferlämmer verhalten sich manchmal fast schon enervierend intelligent (!), und aus atmosphärischer Sicht wurde praktisch ein Film noir ins Pop-Zeitalter transferiert. Selten – wenn nicht gar nie – zuvor gelang es einem nach "Zehn kleine Negerlein"-Prinzip vorgehenden Grusler, eine derart dichte, finstere Atmosphäre zu schaffen. Daran haben höchst interessante audiovisuelle Spielchen ebenso Anteil wie der hundsgemeine Plot. Tatsächlich werden deshalb Gorehounds überhaupt nicht auf ihre Kosten kommen, da die obligatorischen Morde sekundenkurz außerhalb des Bildes geschehen. Auch sie ordnen sich unter – und zwar dem fiesen Finale.
Als versierter Fan kann man zwar relativ früh ahnen, wer hier als Wolf im Schafspelz fungiert, doch darum geht es gar nicht. Wadlow hat anderes vor. Erst in der wirklich allerletzten Sekunde offenbart sich nämlich die ganze Tragweite einer Pointe, deren durchtriebene Intelligenz ihresgleichen sucht. Nein, diesen perfiden Beweis dafür, daß der Mensch das gefährlichste aller Raubtiere ist, konnte (oder wollte?) man nicht vorhersehen ...
Originaltitel: CRY WOLF
USA 2005, 90 min
Genre: Horror, Killer
Darsteller: Julian Morris, Lindy Booth, Jared Padalecki, Jon Bon Jovi, Sandra McCoy
Regie: Jeff Wadlow
Kinostart: 08.12.05
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...