Originaltitel: CUNNINGHAM

D/F/USA 2019, 89 min
FSK 0
Verleih: Camino

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Alla Kovgan

Kinostart: 19.12.19

1 Bewertung

Cunningham

Die Freiheit der Bewegung

Kann man mit einem im Kostüm eingenähten Stuhl tanzen oder mit silbrigen, heliumgefüllten Kissen oder mit einem komplett über den Kopf gezogenen bunten Strickpullover? Merce Cunningham (1919 – 2009) hat gezeigt, daß all dies und noch viel mehr möglich ist. Es ging dem Ausnahmechoreographen stets darum, den Tanz von der Last einer inhaltlichen Darstellung zu befreien und zur reinen Bewegung zu führen. Er war ein unermüdlicher Forscher auf dem Feld der Ausdrucksmöglichkeiten des menschlichen Körpers.

Die Darbietungen der Cunningham-Compagnie sind untrennbar verbunden mit seinen berühmten Mitstreitern, allen voran Lebens- und Arbeitspartner John Cage. Der Komponist schuf die Musik für viele Choreographien von Cunningham. Allerdings, so die revolutionäre Idee, sollten Musik und Tanz unabhängig voneinander funktionieren. Auch die Zusammenarbeit mit Robert Rauschenberg, Andy Warhol, Jasper Johns und anderen Künstlern prägte Cunninghams Stücke. Mit diesem avantgardistischen Konzept erfuhr der Tänzer und Choreograph zu Beginn seiner Laufbahn in den 50er Jahren sehr viel Ablehnung. Heute gelten seine Arbeiten als Meilensteine des modernen Tanzes. In ihrem eigentümlich faszinierendem Bann vergißt man sich selbst für einen Moment.

Diese Wirkung von Cunninghams Werken läßt sich nun im Kino erleben. Für den schlicht CUNNINGHAM betitelten Film wurden 14 ausgewählte Tänze für die Kamera in Szene gesetzt. Getanzt wird nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Wald, am Flughafen oder auf dem Dach eines Hochhauses. Cunningham war bekannt dafür, seine Werke an Orten jenseits der klassischen Bühnen aufzuführen.

Diese langen, optisch brillanten Tanzsequenzen bilden das Herzstück des Films. Sie werden durch Archivmaterial verbunden, dabei zeigen häufig Splitscreens mehrere alte Aufnahmen gleichzeitig. Auf der Tonspur hört man dazu Cunningham selbst oder Wegbegleiter. Mitunter stehlen sich auch Merces Zeichnungen von Tieren und Bewegungsabläufen auf den Bildschirm. Regisseurin Alla Kovgan verzichtet komplett auf aktuelle Interviews und verbannt jegliche Talking Heads aus ihrem Film. 

Ebenso wenig ist sie daran interessiert, die biographischen Eckpfeiler ihres Protagonisten aufzuzählen. Sie werden beim Publikum schlicht als bekannt vorausgesetzt. Stattdessen konzentriert sie sich darauf, mit den Mitteln des Films den Tanz als vergänglichen Moment in Raum und Zeit zu bewahren.

[ Dörthe Gromes ]