Es gehören schon Mut und Verwegenheit dazu, einen Film über eine fast vergessene, dabei wirklich große Künstlerin in die deutschen Kinos zu bringen, zumal der Film nicht mal in Frankreich, in der Wahlheimat Dalidas, gebührend zündete. Und schon deswegen darf man sich – als Fan ohnehin und als Neuentdecker außerdem – über diese Aufmerksamkeit freuen.
Dalida wurde in Ägypten geboren, sie ging mit knapp 20 nach Paris, und für ihren ersten großen Auftritt konnte es nur das „Olympia“ sein, eben jene legendäre Stätte, die zur zweiten Heimat Edith Piafs, Gilbert Becauds und unzähliger Granden der französischen Musik wurde. Seinen Einstieg findet der Film im Zentrum einer privaten Krise, von denen es wahrlich nicht wenige gab im Leben Dalidas, und die stets mit illustren Männerfiguren zu tun hatten: Dalidas Freund Luigi Tenco hat sich das Leben genommen, sie verübte kurz darauf ebenfalls einen Selbstmordversuch, und im Prinzip schlängelt sich der Film an diesen extremen Lebenssituationen und den enormen künstlerischen Erfolgen, Neuerfindungen und Wiederauferstehungen entlang.
Das mag, rein künstlerisch, recht brav sein, den Fan erfreut es dennoch, auch weil ganze Titel ausgespielt werden. Chansons, die eben viel mit Dalidas Privatem zu tun haben, werden mit geprüften Beziehungen geschnitten, etwa der Klassiker „Il venait d’avoir 18 ans“, der Dalidas einzige ziemlich ruhig verlaufene Beziehung zu einem Mann thematisiert, der sich nicht als medioker, im Schatten der Diva stehend, empfand: Lucio, ein sehr junger Fan, ein Student, von dem sie schließlich schwanger wurde, das Ungeborene abtrieb und sich trennte. Eine Zäsur im Leben Dalidas, die nie wieder schwanger werden konnte und nur an Männer geriet, die sich zuerst im Glanze der Künstlerin sonnten, später an deren Ruhm litten.
DALIDA ist ein Fest für eine unvergleichbare Stimme, rauchig, fast wie belegt, geheimnisvoll variierend, das R wie keine andere rollend, eine Verneigung vor einer interessanten Frau, die an ihren Ängsten zerbrach, die „Klassiker“ wie Bulimie, Lampenfieber und Furcht vor der Dunkelheit durchlitt, die bisweilen banale Worte nicht einfach nur sang, vielmehr hob sie sie an, lebte jede Silbe, verstand das Prinzip der Liebe („Man muß sich zu ihr hinbewegen“) und kam trotzdem an die falschen Männer. Befreiende, leichte Momente wie die, wenn sich Dalida kindsgleich über den Klamauk eines Louis de Funés amüsiert, gab es eben zu wenige, um das Leben zu ertragen.
Originaltitel: DALIDA
F 2017, 127 min
FSK 12
Verleih: NFP
Genre: Drama, Biographie, Musik
Darsteller: Sveva Alviti, Riccardo Scarmacio, Jean-Paul Rouve, Niels Schneider
Regie: Lisa Azuelos
Kinostart: 10.08.17
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.