Originaltitel: TINKER TAILOR SOLDIER SPY
GB/F/D 2011, 127 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal
Genre: Thriller, Polit, Literaturverfilmung
Darsteller: Gary Oldman, Mark Strong, John Hurt, Colin Firth, Tom Hardy, Ciarán Hinds, Benedict Cumberbatch
Regie: Tomas Alfredson
Kinostart: 02.02.12
Der Kalte Krieg, er war einer im Schatten, im Zwielicht. Im Flüsterton. Ein kafkaesker Krieg oft, einer der Lügengespinste immer. Ein Spionagekrieg. Täuschung, Maskerade, Lügen waren die bevorzugten, weil wirkungsvollsten und nicht selten auch tödlichen Waffen. Doch das Sterben war ein stilles, meist bemerkt nur von jenen Eingeweihten, die diesen Krieg führten. Oder von ihm geführt wurden, in Bewegung gehalten vom Spiel der großen Politik. Schachfiguren allesamt. Doch wer rückt diese über das Spielfeld? Wer kontrolliert die Bewegungen? Dieser alte Mann mit dem lebensmüden Gesicht, in seinem lichtlosen Büro mit den überquellenden Aschenbechern?
Dieser Mann, er ist der Chef des Circus. Und der Circus, das ist, im Jargon dieser Parallelwelt, benannt nach deren Zentrale am Londoner Cambridge Circus, der britische Geheimdienst MI6. Weshalb auch jeder hier dessen Chef nur unter seinem Decknamen kennt. Control heißt der bezeichnenderweise. Doch Control weiß, daß er die Kontrolle verliert. Weiß, in seiner unmittelbaren Nähe, im innersten Innern seiner Behörde, wühlt einer als Maulwurf für die Sowjets. Nur: Wer ist dieser Maulwurf?
Und so sitzt Control oft sinnend über einem Schachbrett, und an den Figuren kleben kleine Bildchen. Die Gesichter seiner Top-Spione, ihrer Hierarchie nach, dem Umfang ihres Geheimwissens also, klassifiziert vom Bauern bis zur Dame. Und auf dieser prangt das Bild von George Smiley. Altgedienter Meister seines Fachs und Freund von Control – wenn man denn hier Freunde hat. Denn klar ist, sollte Smiley sich als der Maulwurf entpuppen, er würde ohne Zögern aus dem Spiel entfernt.
Er arbeitete selbst für den MI6 und hat basierend auf diesen Erfahrungen mehr als 20 Spionage-Thriller, viele davon Bestseller, geschrieben – der Autor John le Carré. Wohl einer seiner gelungensten Romane ist „Tinker Tailor Soldier Spy“, der fünfte um George Smiley, erschienen 1974. Wie das Gros von le Carrés Werken wurde auch dieses verfilmt. Mit Alec Guinness als Smiley, als BBC-Miniserie. Irgendwann in den frühen 80ern lief die in der ARD, und unvergeßlich bleibt in der Tat, wie darin dieser Guinness-Smiley mit schütterem Haar und sphinxhaftem Blick hinter übergroßer Brille durch dieses komplex-verzwackte Spionageabenteuer wandelt.
Jetzt ist Smiley fürs Kino wieder auferstanden. Mit dem Gesicht Gary Oldmans, gruppiert von einem schlicht exzellenten Schauspielensemble und in einem Film des Regisseurs Tomas Alfredson, der nach Vampiren (SO FINSTER DIE NACHT) jetzt also Spione fulminant für die Leinwand reanimierte. Spione, die sich auf ganz anderen Umlaufbahnen bewegen als einschlägige Action-Testosteron-Bolzen. Spione, die aus der Kälte des Realismus kommen.
DAME KÖNIG AS SPION ist eine Reise in die frostigen Gefilde des Kalten Krieges Anfang der 70er. Alfredson nun zeigt, was es heißt, eine Atmosphäre und einen Plot so zu verdichten, daß das Ergebnis weit über einen Agenten-Thriller im Retro-Look hinausgeht. Sein Film erzwingt Aufmerksamkeit, und widmet man ihm diese, wird man belohnt. Mit einer hochspannenden Story und mit einem intellektuellen Vergnügen ob dieses Schachspiels mit menschlichen Figuren, bei dem dann freilich auch Loyalität, Liebe und (gewaltsamer) Tod nicht zu kurz kommen. Darüber hinaus aber sickert auch noch etwas von dieser Geisteshaltung einer absoluten Skepsis und Illusionslosigkeit, die diesen Film wie seine Nicht-Helden imprägniert, in einen selbst ein. Das ernüchternde Gift tieferer Erkenntnis? Vielleicht. Zumindest etwas, das Smiley, dieses nicht schillernde, sondern mausgraue Genie seines Metiers, diesen „atemberaubend gewöhnlichen Menschen, der eine Menge Geld für wirklich miserable Anzüge ausgibt“ (le Carré), zugleich zu einem großen Melancholiker und zu einer Existenz macht, die, ohne es darauf anzulegen, auf seltsame Art und Weise berührt. Was hier freilich auch mit der großartigen Leistung zu tun hat, mit der sich Gary Oldman in diesen großartigen Film bettet.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.