Ein junger Mann irrt durch Limas Straßen. Er wird von Tagträumen verfolgt, in denen er Passanten niederstreckt. Eingreifen, schnell reagieren, das hat er gelernt, darauf ist er trainiert worden. Jahrelang diente Santiago Román seinem Land als Söldner, doch das ist vorbei. Zurück ins Leben, nützlich machen, auf Normalität schalten - so lauten jetzt seine Befehle. Doch was bedeuten sie für einen Mann, dem der Tod zum ständigen Begleiter geworden ist? In Extremsituationen funktioniert er perfekt, fällt kühl die "richtigen Entscheidungen", am Alltag scheitert er jedoch gnadenlos.
Die Familie seiner Eltern liegt in Scherben, zu viel Unausgesprochenes verseucht die Luft. Santiagos Frau Mari ist überfordert mit seinen Zweifeln und Ängsten, sie verläßt ihn. Jeder Versuch, sich zu arrangieren, ist ein weiterer Schritt Richtung Abgrund, und immer häufiger entladen sich seine Aggressionen. Als sich ein Armeekamerad das Leben nimmt, sieht auch Santiago keinen Ausweg mehr. "Irgend jemand ist immer hinter dir her!" raunt Santiago einer jungen Frau zu. Wie eine Narbe, die nicht heilen will, schmerzt ihn seine Vergangenheit. Keine Ruhe, kein Entkommen.
Das preisgekrönte Kinodebüt von Josué Méndez beleuchtet Regionen unseres Seelenlebens, in denen wir gern das Licht auslassen. Mit ebenso einfachen wie wirkungsvollen Mitteln macht der Regisseur dem Zuschauer Santiagos Wahrnehmung spürbar, in der Realität und Wahn zunehmend verwischen. Mit erschreckender Intensität verkörpert Pietro Sibille den Krieger Santiago, der von dem Land fallen gelassen wird, dem er einst bedingungslos diente. Damit steht er nicht nur für eine verlorene Generation einer politisch zerrissenen Nation. In Santiagos unberechenbaren Handlungen brechen sich all jene Konflikte Bahn, die kriegerische Handlungen im Menschen auszulösen vermögen. Selbst die trügerisch harmonischen Treffen der Kriegskameraden auf dem städtischen Friedhof strahlen Unsicherheit und latente Gefahr aus.
Es ist schwer, sich diesem Wechselbad von Hoffnung und Schmerz und dem beunruhigenden, fordernden Sog von DIAS DE SANTIAGO zu entziehen. Es ist ein aufrüttelnder, ein authentischer Film, der es nicht darauf anlegt, zu gefallen. Der Eindruck, den er hinterläßt, ist dafür um so nachhaltiger.
Originaltitel: DÍAS DE SANTIAGO
Peru 2004, 83 min
Verleih: WFilm
Genre: Drama, Psycho
Darsteller: Pietro Sibille, Milagros Vidal
Stab:
Regie: Josué Méndez
Drehbuch: Josué Méndez
Kinostart: 26.01.06
[ Roman Klink ]