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Das Fenster gegenüber

Zuschauer im eigenen Leben

Es kriselt bei Giovanna und Filippo. Er bekommt ständig Nachtschichten aufgebrummt, sie ist auf Arbeit umgeben von toten Hühnern. Ihren Traum, Konditorin zu werden, hat Giovanna zu den Akten gelegt. Sie bäckt ab und an Torten für eine befreundete Kneiperin, lieblos, mit Kippe im Mundwinkel und des Geldes wegen. Den Alltag absolvieren beide entnervt, selbst die körperliche Liebe wird einfach nur, einer Pflichtübung gleich, abgehakt. Während sich Giovanna und Filippo eines Tages wieder in der Öffentlichkeit angiften, begegnen sie einem verwirrten Alten. Offensichtlich hat er sich verlaufen und braucht Hilfe. Daß Filippo ihn sofort bereitwillig zu Hause einquartiert, geht Giovanna eindeutig zu weit. Doch während sich Davide, der verwirrte Alte, schrittweise seiner Identität entsinnt, beeinflußt der ungebetene Besuch Giovannas Leben auf schicksalhafte Weise.

Klarheiten langweilen Regisseur Ozpetek offensichtlich, denn er widmet sich mit Vorliebe den Grauzonen menschlicher Gefühle, den gern verschwiegene Fußnoten unserer Biographien. Wie zuvor schon in DIE AHNUNGSLOSEN choreographiert er die Begegnung der Generationen als Melodram, bemüht diesmal sogar eine recht konstruierte Story. Es ist nämlich eine tragische Liebesgeschichte, die Davide die Erinnerung raubt. Seit er im faschistischen Italien seinen Liebhaber Simone verlor und selbst nur knapp die Greuel eines Konzentrationslagers überlebte, fühlt er sich als Beobachter des eigenen Lebens. Auch Giovanna hat sich mit der Rolle des Zaungastes abgefunden. Ihre Sehnsucht kreist um den hinreißend attraktiven Fremden, den sie Nacht für Nacht im Fenster gegenüber erblickt. Davide wird die beiden zusammenführen, einfacher wird dadurch aber nichts ...

Meisterlich und mit bittersüßer Leichtigkeit setzt Ferzan Ozpetek diese symbolisch beladene und doppelbödige Geschichte in Bewegung und schielt nie nach dem leichten Ausweg. Menschliches Sehnen und Zweifeln unterfüttert er dabei mit solcher Wahrhaftigkeit, daß man keine andere Wahl hat, als jedes Wort zu glauben.

Ein Tanz ist es, der in Erinnerung bleibt. Wenn Giovanna und Davide verletzt und schweigsam durch die nächtliche Wohnung gleiten, dann verschwimmen die Zeiten. Sehnsüchte sind für einen Moment greifbar nah. Kein Kitsch, sondern einfach nur wunderbar.

Originaltitel: LA FINESTRA DI FRONTE

I/GB/Türkei/Portugal 2003, 106 min
Verleih: Kairos

Genre: Liebe, Schicksal, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Giovanna Mezzogiorno, Raoul Bova, Massimo Girotti

Stab:
Regie: Ferzan Ozpetek
Drehbuch: Ferzan Ozpetek, Gianni Romoli

Kinostart: 02.03.06

[ Roman Klink ]