D 2023, 89 min
FSK 0
Verleih: Leonine

Genre: Kinderfilm, Abenteuer, Literaturverfilmung

Darsteller: Tom Schilling, Hannah Herzsprung, Trystan Pütter, Leni Deschner

Regie: Carolina Hellsgård

Kinostart: 12.10.23

1 Bewertung

Das fliegende Klassenzimmer

… geht ziemlich auf den Zeitgeist

Erfahrene Zuschauer ahnen nicht direkt das Beste, wenn gleich der erste Satz aus dem Off erklingt – auf daß ihm viele, viele folgen mögen. Das Gefühl verstärkt ein sich an die letzte Reihe schmiegender Salbaderton: „Das hier ist eine Geschichte über Freundschaft.“ Aha. Wie hätte man der juvenilen Zielgruppe auch zumuten können, entsprechendes selbst herauszufinden.

Die Weichen sind also schnell gestellt in dieser vierten Adaption des Erich-Kästner-Klassikers, deren Existenzberechtigung wohl im neuerlichen Update liegt. Oder besser: liegen soll, Anpassung tat scheinbar not. Und äußert sich zunächst in Reduktion der ursprünglich fünf Freunde auf vier, ganz im Sinne der Parität, da aus zwei Knaben jetzt – klar – Mädchen wurden. Daher kommt nun Martina (Tochter einer alleinerziehenden Mama, in Second-Hand-Klamotten unterwegs) durch ein Stipendium unterstützt aus Berlin ans Internat nach Kirchberg, trifft dort Jo (taff, weil mütterlicherseits verlassenes Pflegekind), Uli (total unsicher und strebsam) und Matze (gutmütiger Boxfan). Lernt sofort Regel Nr. 1, verbotene Vermischung der „Internen“ und „Externen“, man hält sich ergo dem verfeindeten Alpenlandvolk fern. So seit Generationen zum Hochlodern geschürter Konfliktherd. Doch natürlich alsbald zum Verlöschen gebracht.

Regisseurin Carolina Hellsgård hat vor Jahren beim mahnenden Kommentieren, großen Gestikulieren bereits den Zombieheuler ENDZEIT um seinen potentiellen Unterhaltungswert gebracht – und wiederholt’s unbeirrt. Lustig, abenteuerlich, spannend, spinnert, vielleicht überkandidelt, zugewandt, liebevoll ist ihre Neuverfilmung nie. Dafür belehrend, schwerfällig, dröge, korrekt. Es stimmt ja schon: „Erst, wenn die Mutigen klug und die Klugen mutig geworden sind, wird die Menschheit einen Fortschritt machen.“ Aber hallo, wir reden vom Drehbuch eines Kinderfilms!

In welchem außerdem Denglisch ebenso nervt wie pseudocooler Musikunfug, weltoffene Männer Nagellack tragen, das junge Ensemble meistenteils noch dringend üben, üben, üben muß, nur Hannah Herzsprung als hoffnungslos überzeichnete Lehrkraft ein bißchen Spaß verbreitet, Tom Schilling hingegen erstaunlich blaß bleibt, zumindest am Ende intonieren darf, daß „mit Träumen fliegen“ zur echten Option taugt, während ewig verkrustete Strukturen fingergeschnippt aufbrechen. Und Kästner rotiert.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...