Rebecca und Julian sind ein Liebespaar und erwarten ein Kind. Es könnte schön sein, ihnen in ihrer Vorfreude zuzusehen, denn alles scheint in bester Ordnung. Aber schon von Beginn an wird hier nicht stringent erzählt, sondern vom Vorher und Nachher in wechselnder Folge.
Der Anfang der Geschichte ist eigentlich dort, wo Rebecca das Baby zur Welt bringt. Danach ist nichts mehr, wie es war und auch nicht so, wie es der Vorstellung nach sein sollte. Rebecca stürzt nach der Geburt in eine tiefe Krise, denn sie empfindet nichts für ihr Kind, es ist ihr fremd. Niemand scheint zu bemerken, daß sie mit der Rolle und den Anforderungen des Mutterseins nicht zurecht kommt und sich ihr Zustand immer mehr verschlechtert. Erst ein Nervenzusammenbruch weckt die notwendige Aufmerksamkeit, und Rebecca beginnt eine Therapie. Mit einem Schlag aber hat sich nun auch für Julian alles verändert ...
Emily Atef zeichnet hier das feinfühlige Porträt einer jungen Frau und nimmt sich zugleich des schwierigen und kaum bekannten Themas der postpartalen Depression an, einer Krankheit, bei der die Bindung zum Kind gestört ist. Weitgehend subtil ist ihre Schilderung des Werdegangs der jungen Mutter und des Schicksals der Kleinfamilie. Der emotionale Aufruhr versteckt sich vor allem im Inneren der zentralen Figur, und die Hauptdarstellerin Susanne Wolff bringt diesen überzeugend zum Ausdruck. Ein maskenhaftes Gesicht und die Körperhaltung einer Verlorenen fängt die Kamera hier ein, eine eiskalte konzentrierte Distanz und eine große Verletzlichkeit. Der Wechsel von Vor- und Rückblenden, wenngleich dramaturgisch nicht immer nachvollziehbar, macht im ersten Teil manche Szenen zur Tour de force, weil lange unerzählt bleibt, was vor Rebeccas Flucht aus der ihr fremden Rolle zwischen Mutter und Kind passiert.
Dieser Spannungsaufbau kann von der manchmal recht einseitigen Charakterzeichnung anderer Figuren nicht ganz ablenken. Trotzdem gelingt es der Regisseurin, ein ambivalentes Gefühl gegenüber allen Protagonisten aufrecht zu erhalten – nicht zuletzt deshalb bleibt die Schilderung dieses Kampfes einer Mutter um die Bindung zu ihrem Kind packend bis zum Ende.
D 2008, 99 min
Verleih: Ventura
Genre: Drama
Darsteller: Susanne Wolff, Johann von Bülow, Maren Koymann
Regie: Emily Atef
Kinostart: 22.01.09
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.