Noch keine Bewertung

Das große Rennen

Mädchen am Steuer

Mit Kindern im Film warm zu werden, stellt ja nur zu oft eine ziemliche Herausforderung dar. Wie dieses Problem galant gelöst werden kann, zeigt hier eine ganz wunderbare Szene: Die 11jährige Mary wettet am Morgen mit ihrem besten Freund Tom, wer von beiden wieviele Attacken auf dem Weg zum Klassenzimmer erleiden muß – und begegnet dem tatsächlich folgenden Hohn ohne Wimpernzucken. Spätestens dann hat das Mädchen jeden Zuschauer um den Finger gewickelt.

Vielleicht findet man sich ja selbst in Mary wieder, deren rote Haare, Sommersprossen, Strickpullover und Leben auf dem Dorf sie automatisch zur Außenseiterin unter den Stadt-Bälgern stempeln. Ein Kind, welches trotz – oder gerade wegen – aller Anfeindungen stundenlang an seiner Seifenkiste bastelt, weil Mary davon träumt, hinter dem Steuer Karriere zu machen. Da kommt ein bald ausgerufenes Rennen gerade recht, um es den reichen Blagen zu zeigen …

Klar stellt sich nicht die Frage, ob Mary mit ihrer Seifenkiste Marke Eigenbau nun tatsächlich den Sieg erringt. Aber das ist letztlich egal, weil sogar Erwachsene auf dem Weg ins Ziel von kreativen Ideen quasi in den Sitz gepreßt werden, während die junge Hauptdarstellerin derart natürlich spielt, wie es die ganzen hochgezüchteten Nachwuchsstars aus Hollywood & Co. noch nie konnten. Völlig zu Recht bezeichnet Regisseur André F. Nebe seine Entdeckung als „irische Pippi Langstrumpf.“ Er hat weiterhin erkannt: „Geschichten für Kinder zu erzählen ist nicht einfach, weil sie gnadenlos ehrlich sind“ – und sich ungern für dumm verkaufen lassen. Folgerichtig garantieren Tempo und Witz nicht gleichzeitig eine heile Wunderwelt, im Gegenteil. Vielmehr sind Marys Eltern finanziell bedroht, außerdem muß der Rotschopf Verluste hinnehmen. Den von Tom zum Beispiel, und da Ehen durchaus scheitern können, droht ein Zerfall der Familie.

Aber erneut vermeidet Nebe aufdringliches „Alles wird gut!“-Geschwafel und erklärt seinem kleinen Publikum einfühlsam, in besonders starken Momenten auch anrührend, die Hintergründe, er fordert zum Weiterdenken und Auseinandersetzen mit Problemen auf, ohne den pädagogischen Zeigefinger auszupacken oder am Ende eben doch billige Lösungen anzubieten.

So hallt sein Beileibe-nicht-nur-Kinderfilm lange über das ungeachtet jeder Vorhersehbarkeit spannend in Szene gesetzte Rennen hinaus nach. Einfach großartig!

Originaltitel: THE RACE

Irland/D 2009, 84 min
FSK 0
Verleih: Farbfilm

Genre: Abenteuer, Erwachsenwerden, Kinderfilm

Darsteller: Niamh McGirr, Colm Meaney, Susan Lynch, Jonathan Mason, Eoin McAndrew

Regie: André F. Nebe

Kinostart: 29.10.09

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...