Ahmed Khatib aus Jenin ist 12 Jahre alt, als ihn eine israelische Kugel am Kopf trifft. Im Krankenhaus von Haifa können die Ärzte bei Ahmed nur noch den Hirntod feststellen. Auf Anfrage entschließt sich Ahmeds Vater Ismael, die Organe seines Sohnes zu spenden – und damit israelischen Kindern, auch jüdischen, das Leben zu retten. Zwei Jahre später macht sich Ismael auf, diese Kinder zu besuchen.
DAS HERZ VON JENIN begleitet Ismael auf dieser Reise und blickt zurück auf die vorangegangene Tragödie. Dokumentiert wird da erst einmal ein Akt tiefer Menschlichkeit, das imponierende Hinauswachsen eines leidenden Vaters über alle Feindschaften und allen Schmerz hinweg. Eine Bejahung des Lebens im Angesicht des Todes. Das ist selbstredend höchst emotional. Überwindet man sich dennoch zur distanzierten Betrachtung, muß sich DAS HERZ VON JENIN allerdings einige Fragen gefallen lassen. Etwa: Kann man einen unpolitischen Film über eine menschliche Tragödie und eine ebensolche Geste drehen, wenn beides explizit aus einem politischen Konflikt erwuchs? Wie subjektiv darf der Blick dabei sein? Soll heißen: Ab welchem Grad mangelnder Objektivität und verwischender Distanz gerinnt ein solcher Film zwangsläufig zum Tendenziösen?
Was man zeigt. Was man forciert. Und was man ignoriert. Gezeigt wird die bedrückende Situation der Palästinenser in Jenin. Gezeigt wird Ismael, der dort ein Schulzentrum aufbaut. Der unter den demütigenden Prozeduren am Checkpoint nach Israel leidet. Die Dankbarkeit einer Drusen- und einer Berberfamilie, deren Kinder ob der Organtransplantationen leben. Gezeigt werden auch die Levinsons, ultraorthodoxe Juden, deren Weltbild wankt, weil die Tochter ihr Überleben einem Araber verdankt.
Die Empathie liegt bei Ismael, ergo bei den Palästinensern. Erzählerisch legitim ist das, jedoch in der Form, in der es DAS HERZ VON JENIN aufzeigt, zugleich Grund für faden Beigeschmack. Den zu verhindern hätte es – und es sei hier nur ein Beispiel genannt – etwa gereicht, statt der alibihaft eingefügten Archivaufnahmen vom palästinensischen Terror in Israel sich zu einer wenigstens beiläufigen Erwähnung jener jüdischen Organisationen durchzuringen, die, wenn auch weniger medienwirksam, Organe getöteter Israelis an Palästinenser spenden.
Wie gesagt: Nur eine mögliche Geste dokumentarischer und künstlerischer Souveränität. Zu der DAS HERZ VON JENIN nicht willens oder nicht fähig ist. Wie kaschiert auch immer: Am humanistischen Impuls frißt auch hier wieder mal die politische Instrumentalisierung.
D/Israel 2008, 89 min
FSK 12
Verleih: Arsenal
Genre: Dokumentation
Regie: Marcus Vetter, Leon Geller
Kinostart: 07.05.09
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.