D 2016, 119 min
FSK 12
Verleih: Weltkino
Genre: Märchen, Literaturverfilmung, Mystery
Darsteller: Frederick Lau, Henriette Confurius, Moritz Bleibtreu, Milan Peschel
Regie: Johannes Naber
Kinostart: 20.10.16
Wilhelm Hauffs „Das kalte Herz“ ist ein Klassiker unter den Kunstmärchen. Ein Gleichnis über echtes und falsches Glück. Eine poetische Nebelwald-Gruselmär von Gut und Böse, sehr deutsch und romantisch vom Dunkel fasziniert und vom hehren Licht der Unschuld kündend. Eine legendäre, expressiv düsternde Kinoverfilmung gab es 1950 durch die DEFA. Jetzt hat sich Regisseur Johannes Naber (ZEIT DER KANNIBALEN) des Stoffes angenommen.
Arm ist er, der Peter Munk. Ein Sonntagskind und Schwarzwald-Köhler, rußverschmiert, aber so reinen Herzens, daß die Lisbeth, Tochter des reichen Löbl, ihn einfach lieben muß. Nützt aber nichts. Dem Sohn des Holzhändlers ist das Mädchen versprochen. Geld soll Geld heiraten, auf daß das Geld sich mehre. Da kann Peter nichts machen, das muß er ebenso ertragen wie die vielen anderen Demütigungen, denen einer seines Standes ausgesetzt ist. Nur, daß der Peter das nicht mehr ertragen kann. Und so sucht er Hilfe beim Glasmännchen, dem gutmütigen Naturgeist, der im tiefen Wald lebt und einem Sonntagskind reinen Herzens auch schon mal drei Herzenswünsche erfüllt. Allerdings wünscht dann der Peter nicht sehr klug, weshalb ihn die Schicksalswege bald in die Hände des grausen Holländer-Michel führen. Ein Nachtmahr, eine Ausgeburt des Bösen, der bieten kann, was es zum Erlangen von Reichtum vor allem braucht: ein kaltes Herz.
Mit dem Holländer-Michel erschuf Hauff einst ein Prachtexemplar des Monströsen. Und mehr noch als ein Manko ist es ein Rätsel, wieso diese Figur samt ihrer abgründigen Aura jetzt derartig verschenkt wurde. Hin zum schmuddeligen, theatralisch messerwetzenden und brabbelnden Waldschrat mit schlechten Zähnen, und nein, wir kommen jetzt nicht mit der ewigen Damals-Keule und des ollen Erwin Geschonnecks Michel-Darbietung, sondern zucken einfach nur ratlos die Schultern.
Es ist ja nicht so, daß Naber sein Handwerk nicht beherrscht. Gelungen sind da die kräftigen Genrebilder à la „Bauern am Wirtshaustisch“, atmosphärische Nachtszenen, manche Blicke in Gesichter – es sind die Momente, in denen Naber vergißt (oder darauf pfeift?), was vielleicht das Kernproblem seines Films ist: unbedingt Up-To-Date sein zu wollen und dafür auf allerlei Schnickschnack aus dem Fantasy-Fundus zurückzugreifen. Wer wieder mal exemplarisch sehen will, wie eine zeitlose Geschichte aussieht, wenn sie mit Zeitgeistnippes behangen wird, ist hier bestens aufgehoben.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.