Originaltitel: LE CONCERT
F/Belgien/Italien/Rumänien 2009, 122 min
FSK 0
Verleih: Concorde
Genre: Komödie, Musik
Darsteller: Alexeï Guskov, Dmitri Nazarov, Mélanie Laurent, François Berléand, Miou-Miou, Lionel Abelanski
Stab:
Regie: Radu Mihaileanu
Drehbuch: Radu Mihaileanu
Kinostart: 29.07.10
Andreï Filipov dirigiert, mit vor Hingabe geschlossenen Augen, ganz in die Musik versunken. Um so härter schlägt er bald darauf in der schäbigen postsowjetischen Wirklichkeit auf. Er ist Putzmann im Moskauer Bolschoi-Theater, lediglich heimlicher Zaungast der Proben, und die Tage als gefeierter Stardirigent des hauseigenen Klangkörpers sind lange vorbei. Gegen die „antizionistische“ Kampagne der Parteiführung hatte er sich für seine jüdischen Mitmusiker eingesetzt und war die Karriereleiter ganz nach unten gefallen, in ein Meer von Schnaps. Der Traum vom großen Konzert in Paris scheint auch nach neuer politischer Zeitrechnung passé – bis Andreï eine Gastspielanfrage des Théâtre du Châtelet in die unbefugten Hände fällt, und er Mut zu einem unerhörten Schwindel faßt.
Seit ZUG DES LEBENS wissen wir, daß Regisseur Mihaileanu zur Rettung seiner Narren und Träumer lügt wie Münchhausen und stiehlt wie der Dieb von Bagdad. Stemmte er sich dort ohne Rücksicht auf tragische Gewißheiten gegen das Unvermeidliche, so beginnt er hier mit einer reichlich gewagten historischen Rekonstruktion von spätsowjetischem Gulag-Terror und neurussischem Schießeisenkapitalismus. Zum Glück ist das nicht Ziel, sondern nur Ausgangspunkt der wild-romantischen Reise. Und dieses Mal darf man sogar zu Recht auf ein versöhnliches Finale hoffen. Zunächst aber wollen die ehemaligen Musikerkollegen aus ihren prekären Arbeitsverhältnissen, aus Taxis, Flohmärkten und Zigeunerlagern zusammengetrommelt sein. Instrumente müssen beschafft, Anzüge ausgeklopft und Visa gebastelt werden. Genosse Ivan „Molière“ Gavrilov radebrecht sich durch die französischen Vertragsverhandlungen. Alles andere „besorgt“ die vielköpfige Verwandtschaft des Ersten Geigers.
Als Mihaileanu seine abgerissene, dreist gefälschte und in buntesten Klischee-Farben gemalte Bolschoi-Kapelle endlich auf dem Pariser Flughafen auskippt, weicht der derb-komische, burlesk überdrehte Ton einer etwas muffig riechenden Getragenheit. Das parabelhafte, überkandidelte Schelmenstück bekommt sozusagen steife Kragen und ein festtägliches Korsett. Und der Schalk? Der hat sich aus dem Nacken fast heimlich in den Orchestergraben gestohlen. Von nun an ist einfach alles „bolschoi“ – die Geheimnisse aus der Vergangenheit, die unvermittelten Hochgefühle und die aufbrausenden Verzweiflungen.
[ Sylvia Görke ]