Den Anfang machen Nine Eleven und eine interpretatorische Idiotie: Im Split Screen wird nochmals das Flammeninferno der Twin Towers kredenzt. Dazu der Kommentar: „Die Anschläge auf das World Trade Center waren Taten von irregeleiteten Fanatikern. Doch ist die große Spannung zwischen Wissenschaft und Religion auch in unserem Alltag spürbar.“ Da mag man als Zuschauer schon mal die Stirn runzeln, ob der Tautologie vom irregeleiteten Fanatiker (jeder Fanatiker ist irregeleitet, das definiert ihn) und ob der Schlußfolgerung, daß für diesen im konkreten Fall mörderischen Fanatismus die „Spannung zwischen Wissenschaft und Religion“ verantwortlich sei. Ein Terroranschlag wie der vom 11. September 2001 interpretiert sich in diesem Kontext als Akt der „Überwindung des dogmatischen Materialismus’.“
Okay, zu Nine Eleven hat man schon haarsträubenderen Blödsinn gehört. Ärgerlich im konkreten Fall ist, daß die Terroranschläge samt besagtem Theorem als reißerische Ausgangsbasis für einen Thesenfilm herhalten müssen, der in Folge mitnichten so versimpelnd und reißerisch ist, wie sein Anfang befürchten läßt. Denn wenn auch Rüdiger Sünner mit DAS KREATIVE UNIVERSUM tatsächlich dem „dogmatischen Materialismus“ an den Kragen geht, geschieht das doch hinfort im Gestus des Fragens und Tastens. Daß sich Wissenschaft, daß sich Evolution und „göttlicher“ Plan nicht ausschließen, daß dem Universum eine schöpferische, geistige Kraft innewohnt, ist die dem Film zugrunde liegende These, die man mitnichten von vornherein als esoterischen Mumpitz abtun sollte.
Sünner schaltet also nach grobschlächtigem Intro um in den Modus der Feinmechanik. Blickt in Kosmos und Mikrokosmos. Fragt ob des zu Sehenden: Warum gibt es und empfinden wir Schönheit? Oder: Was war vor dem Anfang da? Oder: War das Universum von Anbeginn an auf die Entstehung des Lebens festgelegt? An Spekulationen und Antworten versuchen sich Biologen, Quantenphysiker, Astronomen. Und das auf differenzierte, undogmatische Art – aber mit der Ahnung, auch dem Wissen, daß ein Großteil der etablierten Erklärungsmuster bis hin zum genetischen Code zu eng gedachte sind.
Daß DAS KREATIVE UNIVERSUM beim Untermauern seiner These Kritiker der selbigen völlig ausspart, mag man dabei als weiteren Negativpunkt anmerken. Ein Disput findet hier nicht statt. Wohl aber gibt Sünners Film Impulse zum Weiter-, gar zum Umdenken. Zum Widersprechen allerdings auch.
D 2010, 83 min
FSK 0
Verleih: W-Film
Genre: Dokumentation
Regie: Rüdiger Sünner
Kinostart: 08.11.12
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.