1994 montierte Regisseur Narymbetov seine Kamera in ein Bergdorf, um (eigene?) Kindheitserinnerungen aus dem Nachkriegs-Kasachstan heraufzubeschwören. Mit schwarz-weiß wurde tüchtig Patina aufgetragen, auf daß die gammlige Zeit noch trostloser wirke.
Gelegentliche farbige Sequenzen fordern Freudianer auf, infantile Träume korrekt zu deuten. Denn betrachtet wird der Film aus der Perspektive eines etwa Zehnjährigen. Der wird zwar noch gestillt(!), interessiert sich jedoch aus-schließlich für jene Sache, von der ein Regisseur annimmt, daß sie ein Kind zu interessieren hat: Pimmelphysiognomien, Fotos von nackten Damen, Spontanakte einer Hure...So sind halt die Sitten in Kasachstan. Zwischen den fremdländisch klingenden Namen - Aspasia, Hadisha, Esken - schießt pilzähnlich ein Runzelweib aus dem Boden, das man im Dorf "Oma Macintosh" heißt. Oma Macintosh ward im weiteren Film nicht wieder gesehen. Nicht besser geht es dem übrigen Personal (plus einem Akkordeon). Alles taucht als Sternschnuppe auf und verglüht in der Brennweite einer Zufallskamera. Vielleicht war ja auch noch nicht klar, wer hier mit einer Rolle bedacht wird. Der obligatorische Dorftrottel? Eine der pathetisch dreinblickenden Grazien vom Typ "Schöne Wawara"? Oder das zu Recht verstimmte Instrument? Der Film wirkt wie eine Drehpause unter Statisten, die in Wirklichkeit vermutlich kurzweiliger gewesen wäre.
Inmitten dieses Figurensalates will auch die Traumatisierung des kleinen Ich-Erzählers nicht recht überzeugen. Um so erstaunlicher ist, daß renommierte Gazetten wie "Le Figaro" in diesem Ärgernis einen "impressionistischen Episodenfilm" sahen und den Regisseur gar als "Poeten". Befanden sich die Herrschaften im buchstäblich falschen Film oder ereilte sie ein Riß in selbigem?
Originaltitel: KOZIMNIN KARASY
Kasachstan 1994, 90 min
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama
Darsteller: Daulet Taniev, Petja Chaitovitch, Achan Sataev
Regie: Satybaldy Narymbetov
Kinostart: 08.03.01
[ Angela Rändel ]