Originaltitel: SAMEBLOD

Norwegen/DK/S 2016, 105 min
FSK 6
Verleih: Temperclay

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Lene Cecilia Sparrok, Hanna Alström

Regie: Amanda Kernell

Kinostart: 05.04.18

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Das Mädchen aus dem Norden

Ein schwedisches Kolonialmärchen

Elle Marjas Eltern sind Rentierzüchter im hohen Norden. Die Sámi leben hier ganz in ihrer eigenen Tradition, ohne Zugang zur modernen Gesellschaft, aber nicht abgeschirmt von ihr. Das erleben Elle Marja und ihre jüngere Schwester andauernd auf dem Weg zur Schule, in der sie und andere samische Kinder bei einer strengen Lehrerin lernen, patriotische schwedische Lieder zu singen. Neugierige Blicke, unflätige Bemerkungen begleiten sie – und einmal ringen Elle Marja ein paar Jungen nieder und markieren ihr das Ohr mit einem Messer, wie es die Züchter mit ihren Tieren tun. Kurz: Die Schweden führen sich auf wie Kolonialherren. Trotzdem oder gerade deshalb erwacht in der Teenagerin ein Trotz gegen die ihr zugewiesene Rolle als „Zirkustier.“ Sie will nach Upsala, auf eine normale Schule gehen, sich assimilieren. Doch so willensstark sie ist, sie muß feststellen, daß ihr dabei niemand helfen kann, und daß der Weg dorthin heißt, ihre Tracht auszuziehen, für immer.

Die Kleidung ist im Film ein sehr schlichtes, aber verständliches Symbol für einen Identitätskonflikt, wie ihn junge Sami bis heute immer wieder durchmachen. So erlebte es auch die Regisseurin Amanda Kernell, die eine schwedische Mutter und einen samischen Vater hat. Der starke persönliche Antrieb, diesen Film zu machen, ist durchaus spürbar. Seine Wirkung verstärkt sich aber noch durch die Verlegung der Handlung in die 30er Jahre, wo die Rassenideologie nicht nur in Deutschland ihren traurigen Höhepunkt nahm. Dabei gelingt es Kernell, den Fim trotz historischer Kulisse nicht aussehen zu lassen, wie es Nazi-Filme üblicherweise tun, mit ihren standardisierten Kostümen, Kulissen und Farben. Die Nähe der Kamera zu den Protagonistinnen und deren gelungene Besetzung mit samischen Laiendarstellerinnen (die Schwestern sind wirklich Schwestern) erzeugen einen unmittelbaren Realismus.

Dennoch entkommt der Film nicht ganz der Ethno-Kitsch-Falle, insbesondere beim Abbilden der Landschaft in schwelgenden Panoramabildern. Die im Heute angesiedelte Rahmenhandlung fügt vollends einen märchenhaften Ton hinzu. Umso sensibler ist der Film immer dann, wenn er das Aufeinanderprallen der Welten aus Elle Marjas Perspektive beschreibt. Ob es um Alltagsrassismus, das Ringen um das Selbstwertgefühl, eine schwesterliche Loyalitätskrise oder die ersten erotischen Erfahrungen geht, hier ist der Film immer auch universell.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...