D 2021, 103 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Drama

Darsteller: Corinna Harfouch, Jörg Schüttauf, Gabriela Maria Schmeide, Imogen Kogge, Peter Renè Lüdecke

Regie: Katharina Marie Schubert

Kinostart: 17.02.22

2 Bewertungen

Das Mädchen mit den goldenen Händen

Die Harfouch als Hartfouch

Als die Geburtstagsrunde mit verdächtiger Inbrunst das Kinderlied von „Bummi, Bummi” anstimmt und sich über die aschfahlen Witze eines falschen DDR-Abschnittsbevollanimateurs scheckig grinst, muß man sich nicht nur um die versammelten Männer und Frauen Sorgen machen, sondern auch um diesen Film. Kommt hier etwa das nächste vor Klischees triefende Ost-Stück? Man hat den Stab studiert, die Besetzungsliste auch, hatte Hoffnungen und dann das!

Zum Glück bleiben diese frühen Szenen in ihrer Seltsamkeit die einzigen mit Gruselfaktor. Am Ende gehören sie zum Konzept einer Kunsthaftigkeit, mit der die Schauspielerin Katharina Marie Schubert ihren trotzig umkämpften Wunsch nach genau diesem Regiedebüt umgesetzt hat. Eines ist sicher: Die aufrecht resolute Corinna Harfouch hätte gar nicht erst mitgemacht, wäre es ihr zu einfältig gewesen, doppelt nicht, weil die Geschichte wirklich im Osten spielt. 1999.

Als DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN kommt die Harfouch zu spät. Als Gudrun, die jetzt 60 wird und im ehemaligen Kinderheim feiern will, genau richtig. Es war der Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Ein altes Herrenhaus, längst heruntergekommen. Daß Gudruns erwachsene Tochter Lara nach Berlin gegangen ist, wird als Flucht gewertet. Vier zackige Sätze, enttäuschte Blicke und ein Stück vom („Wie früher!“) herrlich muffigen Marzipankonfekt später wird klar, daß in Gudrun die Härte wohnt, Kühle und Wehmut, gepaart mit einem unbändigen Willen zur Unnahbarkeit. Es meint Lara und ihren Stiefvater Werner, aber auch die kleinstädtische Gemeinschaft, die sich zwischen Bewahren und Aufgeben noch längst nicht gefunden hat.

Die Feier wird zum Fiasko, weil der Bürgermeister zwischen allen Stühlen zugeben muß, daß das Kinderheim zum Verkauf steht. Gudrun wird jetzt zur fuchtigen Löwin, zeigt Krallen, Zähne, Kraft im Käfig der Nostalgie. Abstruses kommt dabei heraus. Das auch.

DAS MÄDCHEN MIT DEN GOLDENEN HÄNDEN wächst zum Film der Allegorien, die sich mehr und mehr von konkreten Hintergründen und damit auch von denen des verschwundenen Landes entfernen. Es geht um Biographien nach Entbehrungen, Gewinnen nach Verlusten, klaren Augen nach meist diffusem Leinwandlicht. Die Richtung des Daumens hängt schwer vom eigenen Wunsch ab, sich auf diese Geschichte überhaupt einlassen zu wollen. Daß sie immer wieder auch von Gudrun wegführt, könnte helfen.

[ Andreas Körner ]