Es hätte keinen anderen geben können als Jean Rochefort mit seinen wachen und doch zutiefst melancholischen Augen, dem nun langsameren Gang, diesem noch immer frechen Grinsen und dem unbändigen Haar, der diesen melancholischen, schon lebensmüden und von Zeit, Krieg und Arbeit gekrümmten Künstler Marc Cros spielt. Nur bei einem wie Rochefort wird es nicht zur Marotte, wenn dieser großäugig und hinter gezwirbeltem Bart ein kleines Grinsen verbergend alte Wurzeln und Laub bestaunt. Ja, die Jahre eilen, die Kräfte schwinden, und so ist es eine formidable Idee Léas, als sie die Streunerin Mercé ins Haus bittet. Jung und schön, weiblich und alles andere als ein Hungerhaken, mit großen Augen und Trotzmund vitalisiert sie Marc in dessen Schaffenskraft, indem sie ihm – wie vor vielen Jahren seine Frau Léa – Modell steht. Die Zuschauerbefürchtung, nun Zeuge einer plumpen Herrenphantasie zu werden, wischt Marcs Haushaltshilfe auf ihre Art weg: „Er ist ein guter Mann. Auch wenn er Künstler ist ...“
Fernando Truebas Film ist durch und durch schwermütig, was gut ist. Wie soll es sonst sein, wenn Jugend auf Todesweihe trifft, Schönheit auf Grausamkeit (wir schreiben das Jahr 1943 im besetzten Frankreich)? Und so wird Marcs neuerliche Arbeitswut durch die Begegnung mit einem fast unschuldigen Geschöpf zu einem letzten Tanz, zu einer Reflexion über das, was von Menschen noch zu erwarten ist, zu einer Besinnung, was das Leben ausmacht: Ideen, Liebe, Anmut, Natur und roter Wein. Man wird als Zuschauer gleich mit melancholisch, auch weil die Bilder, die Synchronisation, das Tempo, die Dialoge, der knarzige Witz so wunderbar altmodisch gehalten sind. Kino wie aus einer anderen Zeit.
DAS MÄDCHEN UND DER KÜNSTLER ist ein zärtlicher Film über den Abschied geworden, eine Verbeugung vor der Vergänglichkeit, denn auch Marc erkennt: Alles fliegt, jede Minute zählt. Da ist das sich ankündigende Ende des Krieges eben nicht nur positiv belegt. Für Marc wird das nahende Adieu zum Abschied von seiner treuen Frau Léa, über die er sagt, daß sie so etwas Schönes wie sie heutzutage gar nicht mehr machen, zum Au Revoir vom Gläschen in den Straßencafés und von den vorbeieilenden Frauenbeinen. Für uns bleibt zu befürchten, daß dies auch ein eingeleiteter Abschied von Jean Rochefort sein wird. Von der Art, lebenskluge Geschichten in durchdachten Schwarzweißbildern zu erzählen ohnehin.
Originaltitel: EL ARTISTA Y LA MODÉLO
Spanien 2012, 104 min
FSK 0
Verleih: Camino
Genre: Drama, Poesie
Darsteller: Jean Rochefort, Claudia Cardinale, Aida Folch, Chus Lampreave, Götz Otto
Regie: Fernando Trueba
Kinostart: 26.12.13
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.